Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
Vom Netzwerk:
Namensgeber? Als höflicher MmM möchte ich mich bei meinem Entdecker persönlich bedanken und ihn mit Lorbeeren überschütten. In der Politik versteht jeder unter dem Begriff Migrationshintergrund etwas anderes. Für die Konservativen zählt die Epoche der Völkerwanderung dazu, die mit den Goten anfängt. Demzufolge hat jeder Mensch einen Migrationshintergrund. Schließlich, so sagt man, liegt die Wiege der Menschheit in Afrika. Der Duden definiert Migrationshintergrund als »Kind bzw. Enkelkind von Migranten zu sein«. Nach Definition des Statistischen Bundesamtes haben Ausländer, im Ausland Geborene und nach dem 1. Januar 1950 Zugewanderte, Eingebürgerte sowie Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil ohne deutschen Pass ist, einen Migrationshintergrund. Auch der in Deutschland geborenen dritten Generation wird ein Migrationshintergrund zugeschrieben. Eine Überprüfung der Definition sollte im Jahr 2010 erfolgen. Bis dahin stand es den Ländern frei, eigene Definitionen zu verwenden.
    Mit dem Quasi-Schengen-Abkommen für den Begriff MmM ist demnach allerlei Tür und Tor geöffnet. Im Land der Ideen, der Vordenker und Visionäre geizen die Menschen nicht mit ihren Phantasien. »Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?«, fragte sich schon der Philosoph Richard David Precht. Precht benötigte rund 400 Seiten, um diese Frage zu beantworten, und wurde steinreich dabei. Ich hingegen brauche nicht einmal einen Satz, um mich zu erklären. Optisch bin ich den 15,7 Millionen Ausländern zugeteilt und juristisch den 62,2 Millionen.
    Mein Freund Ahmet äußerte bei einem Treffen der Brückenbauer am Wannsee den Wunsch, man solle Wortneuschöpfungen wie »Mensch mit Zuwanderungsgeschichte« oder »Mensch mit Migrationshintergrund« in Zukunft lieber selbst prägen und definieren, statt sie sich diktieren zu lassen. Ich stimme Ahmet zu, unter der Bedingung, dass bei der Namensfindung auch Statistiker der Bundesagentur für Arbeit berücksichtigt werden, die für die Arbeitslosenzahlen zuständig sind. Denn sie verfügen über das eindrucksvolle Talent, Dinge schönzureden. Aber auch chinesische Restaurantbesitzer sollten der Multikulti-Show halber mit einbezogen werden. Wer seine Restaurants mit Namen wie Ding Dong, Hong Peng, Poo Ping Palast, Hung Long, Mickey Mao’s, Golden Mousse oder »Bangkok Treffpunkt – thailändische Spezialitäten« benennt, der muss nur so vor Kreativität sprühen. Beim Restaurant »Bangkok Treffpunkt – thailändische Spezialitäten« ist der Name allerdings zum Problem geworden. Egal, wie gut das kulinarische Erlebnis war, eine Handvoll lüsterner Männer verlässt regelmäßig enttäuscht den Laden. Sie hatten wohl andere Vorstellungen.
    Außerdem wäre ich für die Einbindung der Marketingleute von Dildoking, eines Spielzeugunternehmens für Erwachsene. Das müssen wahre Genies sein. In Lichtenberg wirbt das Unternehmen an einem Gebäude, hinter dem in unmittelbarer Nähe ein riesiger Schornstein aufragt. Aber auch die Marketingleute der Berliner Stadtreinigung sind nicht ganz ohne. Mein Bekannter Mehmet arbeitet seit geraumer Zeit für die Berliner Stadtreinigung. Auf die Frage, wie er dazu kam, dort anzuheuern, antwortete Mehmet: »Irgendwo haben die mal mit dem Slogan ›Eine Wischenschaft für sich‹ geworben! Mein Traum war es schon immer einmal, Wischenschaftler zu sein!«
    Deutsche Sprache, schwere Sprache, dachte ich nur.
    Als ich neulich mit meinem Fahrrad am Restaurant »Bangkok Treffpunkt – thailändische Spezialitäten« vorbeifuhr, prangte ein riesiges Plakat an der Eingangstür, wie man es sonst nur von Demonstrationen kennt. Der Koch und der Restaurantbetreiber müssen kurz davor gewesen sein, das Handtuch zu schmeißen. Ihr Frust ließ sich deutlich ablesen auf dem Plakat: »Wir kochen mit der Natur und legen großen Wert auf frisches Gemüse und Fleisch, ohne Glutamat in unseren Gerichten!« Das ist die richtige Einstellung, dachte ich mir. Damit ist der Grundstein gelegt, damit die Kunden begreifen, dass hinter ihrer Küche auch nichts anderes gemacht wird als Gemüse klein geschnitten und Fleisch gebraten, und das alles frei von Glutamaten.
    Ich bin neugierig darauf, wie sich die Bezeichnung unseresgleichen über die Zeit entwickeln und vor allem, wer sie prägen wird. MmM kann kein Ist-Zustand sein. Meine momentanen Vorschläge wären Analog-Deutscher (AD), Deutscher mit gen-modifizierten Organismen (DGMO) oder aber German Cultural Designer (GCD). Man stelle sich

Weitere Kostenlose Bücher