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Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)

Titel: Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hyun
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und den Medienvertretern vorzustellen. Als ich sah, wie die Reporter langsam ihre Kameras auf mich richteten, musste ich schnell handeln, so schnell, wie Lucky Luke seinen Revolver zieht.
    »Erst einmal möchte ich betonen, dass ich kein Chinese bin!«, sagte ich hastig in die Runde. Die Enttäuschung über meine Worte konnte ich den Reportern förmlich vom Gesicht ablesen. Blitzartig wandten sie ihre Kameras von mir ab. Wahrscheinlich hatten sie eine karrierefördernde Story gewittert mit einem Chinesen, der sich für die Menschenrechte in seinem Land einsetzt und sich gegen seine Regierung aufbäumt. Ich war erleichtert – auch wenn die Reporter und Schüler mich keines Blickes mehr würdigten –, dass meine fünfzehn Minutes of Fame nicht auf Kosten der Chinesen gingen.
    Die Diaspora der Chinesen ist die größte der Welt. Von den 1,3 Milliarden Chinesen leben etwa 33 Millionen im Ausland. Allein in Deutschland beziffert das Bundesstatistikamt die Zahl der Chinesen auf rund 80.000. Mein kamerunscher Freund Karim, der für die Sicherheit eines Lebensmitteldiscounters in Berlin verantwortlich ist, wundert sich, wie sich die Chinesen trotz der Ein-Kind-Politik derart multiplizieren konnten. Denn jedes Mal, wenn er Chinesen danach fragt, ob sie Geschwister hätten, beantworten sie die Frage mit »Nein«. Bei seinen Landsleuten sei es so, dass sie nicht selten bis zu sieben Geschwister hätten. Dennoch kommt Kamerun nur auf eine mickrige Einwohnerzahl von etwa 19 Millionen.
    »Manche Begegnungen mit Chinesen waren sehr kurios«, meinte Karim. Einmal kam es vor, dass ihn ein Chinese bei der Begrüßung von oben bis unten begutachtete und anschließend ein Foto von seinen Schuhen machte. Später fand Karim heraus, dass der Chinese ein Schuhhersteller war und allein im Jahr 2000 von seinen schwarzen Turnschuhen über 300.000 Paar produzierte. Seines Erachtens seien sowieso alle 80.000 Chinesen, die in Deutschland leben, Spione. Die Chinesen, die sich als Touristen ausgeben, sowieso.
    »Welche normalen Touristen laufen mit hochprofessioneller Fotoausrüstung herum, mit Teleobjektiven, die eine Reichweite von über 100 Metern haben?«, fragte Karim. Karim ist davon überzeugt, dass dahinter ein rein wirtschaftliches Interesse steckt. »Weißt du«, sagte Karim, »die Chinesen sind schlaue Menschen, die können sogar aus Plastikflaschen Winterkleidung herstellen.« Er kenne Chinesen, die in deutschen Unternehmen als kleine Praktikanten gearbeitet hätten, nach einer gewissen Zeit kündigten, ihre Zelte in Deutschland abbrachen, zurück nach China gingen und steinreich wurden. Er sei der festen Überzeugung, dass China Amerika als Wirtschaftsmacht bald ablösen werde und dass in wenigen Jahrzehnten Englisch eine tote Sprache sei und Chinesisch sich als Weltsprache etabliere.
    Ich erklärte Karim, dass die Chinesen von Natur aus neugierige Menschen seien, da im Reich der Mitte eine strenge Zensur herrsche, zum Beispiel im Internet. Es kann ihnen doch keiner verübeln, dass sie Wissen austauschen möchten, was nach westlichem Vorbild zu einer besseren Völkerverständigung führen soll. Nichtsdestotrotz beharrt die Bundesregierung bei der Anwerbung von IT-Leuten darauf, dass diese aus Indien kommen.
    »In letzter Zeit habe ich bemerkt, dass sehr viele Türken in asiatischen Restaurants unterwegs sind und sich vor allem die China-Pfanne bestellen«, sagte ich zu Karim. Ich habe einen Verdacht, den ich hier nicht laut aussprechen möchte. Nur eines ist klar: Die Rezeptur ist ein gut gehütetes Geheimnis.
    Vor ihrem Rückflug nach Korea sollte meine Bekannte Ji-won ein deutsches Pflegeprodukt für ihre Schwester kaufen, die per Handy aus Korea eine MMS geschickt hatte, in der das gewünschte Produkt abgelichtet war. In einer Apotheke am Alexanderplatz holte Ji-won ihr Handy heraus, schaute sich noch mal das Bild der Schwester an, um sich zu vergewissern, und begann, jedes Regal nach dem Produkt zu durchsuchen. Hinter uns fing plötzlich der junge Apotheker an, sich lautstark mit seiner Kollegin über uns aufzuregen.
    »Jetzt fotografieren die schon unsere Produkte! Wahrscheinlich wollen die billige Plagiate produzieren!«
    Ich holte tief Luft, bevor ich mich zum Apotheker umdrehte, der dabei erschrak, und erklärte ihm, dass wir keine Chinesen seien, sondern Sizilianer und er mit seiner respektlosen Behandlung unsere Intelligenz beleidige. Ich sagte dem Apotheker, dass er doch Größe zeigen und ein Sizilianer von Mann sein

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