Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
kulinarisches Schicksal in ihren eigenen Händen. Doch die Vietnamesen stehen kurz davor, so wie die Osmanen einst vor Wien standen. Bis dahin begnügen sie sich damit, koreanische Lebensmittel in ihren Asia-Märkten zu verkaufen, wie im Mekong am Hackeschen Markt. Ich finde den Ort äußerst spannend. Im Hintergrund läuft koreanische Popmusik, und die vietnamesischen Verkäuferinnen tragen Schürzen mit koreanischen Schriftzügen und spielen den Part der koreanischen Ajummas . Aus Neugier habe ich die Kassiererin einmal gefragt, ob sie wisse, was auf ihrer Schürze stehe. Sie zwinkerte mir nur zu und fragte mich, ob ich Koreaner sei.
Ich blieb sehr nett zu ihr, denn ich weiß, dass der Tag naht, an dem die Vietnamesen auch die koreanische Küche unterwandern werden. Ich hoffe, meine Nettigkeit wird einen Beitrag dazu leisten, die koreanische Küche so teuer wie nur irgend möglich zu verkaufen.
GERMAN CULTURAL DESIGNER
D er Begriff Toilettenputzer hat etwas Menschenverachtendes. Reinigungskraft oder Raumpfleger wertet den Beruf nicht gerade auf. Es ist nur allzu menschlich, diese Berufskategorie in die unterste Schublade zu stecken. In Korea hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Denn durch den extremen Bildungshunger werden zwar Massen an Wissenschaftlern und Akademikern produziert, die aber keine Lust verspüren, Bücher mit einem Wischmopp auszutauschen. Deshalb nennt man Reinigungskräfte Clean-Designer (CD). Manchmal sind Anglizismen doch sehr nützlich. Bei Clean-Designer denkt keiner mehr so schnell an Wischmopp, Zitrusduft und billige Arbeitskraft. Vielmehr hat es etwas von einem ehrenwerten Job, geradezu akademisch, der sich auf einer Visitenkarte elegant machen würde. Keinem wäre es da noch unangenehm, auf die Frage nach seinem Beruf zu antworten. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich zudem, dass das Saubermachen von Toiletten eine wahre Kunst für sich ist, und der Titel Designer ist gerechtfertigter als so manch dubioser Doktortitel, der in unserer Gesellschaft im Umlauf ist.
Mensch mit Migrationshintergrund bzw. Mensch mit Zuwanderungsgeschichte, kurz »MmM« oder »MmZ«, ist zurzeit die charmanteste Form, einen deutschen Mitbürger wie mich zu bezeichnen. Der Titel verfügt über eine Zwei-in-einem-Funktion. Auf der einen Seite soll der Begriff nämlich Schutzwall sein und gleichzeitig unsere Würde als Mensch wahren. Mit der Bezeichnung kann man sich leider nichts kaufen, gesellschaftlich aufsteigen oder reich werden. MmM ist wie das »J« im Stempel, wie mein Freund, der Rabbiner Isaak sagen würde, und schließlich sei man kein Rind aus der Herde, das man zu Identitätszwecken brandmarken müsse. »Manche Juden hat man mit der Kennzeichnungspflicht in Deutschland erst zu Juden gemacht, so wie man es heute mit den MmM tut«, fügte Isaak hinzu.
Wenn ich an MmM denke, muss ich automatisch an die Sendung »XY Ungelöst« denken. »XY Ungelöst« war ein treuer Begleiter meiner Kindheit und gehörte zum Pflichtprogramm meines Vaters. Er schaute sich die Sendung gemeinsam mit uns an. Damit verfolgte Vater seine eiserne Guantánamo-Politik. Die Sendung nahm er als Vorwand, uns zu ermahnen, nicht nach Einbruch der Dunkelheit das Haus zu verlassen. Vermutlich fürchtete Vater unsere zunehmende Empfänglichkeit für deutsche Leitkultur. Je mehr wir mit der Außenwelt in Kontakt traten, desto stärker erfolgte der Abbau der koreanischen Kultur. Vaters Ziel verfehlte seine Wirkung nicht. Nach der Sendung waren wir so verängstigt, dass uns jegliches Streben nach Freiheit blitzartig verließ. In unserer Psyche kannte sich Vater, der koreanische Sigmund Freud, gut aus. Es war nicht die kalte Dusche, vor der mir graute, wenn Vater mich dabei erwischte, wie ich beim Lernen schlief, sondern Vaters psychologisches Spielchen davor. Denn Vater ließ es sich nicht nehmen, daraus ein Schauspiel zu veranstalten. Wie ein Henker im Mittelalter ging Vater auf dem Weg zur Dusche hinter mir her. Ohne den Beistand Gottes war ich meinem Schicksal allein ausgeliefert. Vater hatte die Angewohnheit, den Wasserhahn mit Warmwasserzufuhr so fest zuzudrehen, dass er einem sofort jede Hoffnung nahm, es könne auch nur ein kleiner warmer Tropfen herauskommen. Danach drehte Vater das Ventil mit Kaltwasser so weit auf, dass ich mir vorkam, als stünde ich vor den Niagarafällen. Ich hasse deutsche Qualitätsprodukte. Denn nie geben sie den Geist auf, wenn es darauf ankommt.
Wer ist bloß dieser Christopher Kolumbus von
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