Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
nur vor, es könnte so schön heißen: »In diesem Analog-Deutschen sind nur Spuren von deutschen Wurzeln enthalten. Diese wurden durch evolutionäre Prozesse entwickelt.« German Cultural Designer hört sich edler an, arrivierter, wie der koreanische Clean-Designer. Der Begriff ist wie ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Vorstrafen, wie eine Schublade ohne Klischeedenken, und Deutschsein ist eine zeitgenössische Kunst. Er schreit förmlich nach Verfassungskonformität, vielen Steuern und Integrationswillen.
Meine Bekannte Ana, die einen serbischen Hintergrund vorzuweisen hat, bezeichnet sich selbst als unsichtbare Deluxe-Migrantin und mich als sichtbaren Edel-Migranten. Andere Optionen wären U-Boot oder Premium-Migrant. Wie immer man sich auch entscheiden mag, ich habe die Hoffnung, dass das, was uns in Zukunft kennzeichnet, Türen öffnet, gute Noten ermöglicht, Gymnasialempfehlungen ausspricht, Popularität bei Frauen zusichert, zu gut bezahlten Jobs verhilft.
Bei mir um die Ecke gibt es einen Supermarkt. Seit Ostern arbeitet dort auch eine asiatische Mitarbeiterin. Ich vermute, dass sie thailändische Wurzeln hat. Aus Neugier hatte ich mich in ihre Kasse eingereiht und nahm dafür eine viel längere Schlange in Kauf. Als ich an der Reihe war, konnte ich nicht anders, als auf ihr Namensschild zu schauen. Es stand »Frau Kuckuck« drauf. Ich dachte an ihre Kinder, an die Grausamkeit der Menschen und versuchte, wie es einem Kunden nur möglich ist, so nett wie möglich zu sein.
Was mich anbelangt, so muss ich bei der Wahrheit bleiben. Ja, ich bin ein Mensch mit Migrationshintergrund, aber allen voran ein MmE – ein Mensch mit geringem Einkommen.
CHINESEN SIND KEINE KOREANER
M ein Kollege aus dem Bundestag, Thorsten, ein Berliner Original, musste einmal einer irakischen Familie bei ihrem Visumsantrag helfen. Von der irakischen Botschaft kam Thorsten sichtlich traumatisiert zurück. Er legte die Tasche ab, behielt die Jacke an, atmete tief aus und ließ sich in den Stuhl vor seinem Schreibtisch fallen. Besorgt fragte ich, ob es ihm gut gehe. Er müsse einmal kurz durchatmen, antwortete Thorsten und wischte sich im tiefsten Winter den Schweiß von der Stirn.
»Ich habe Dinge gesehen«, fing Thorsten an zu erzählen, »die ich nie für möglich gehalten habe. Fäuste flogen kreuz und quer durch die Gegend, Menschen wurden abgeführt, mal wurde heftig diskutiert, mal weniger heftig, und danach wurde es oft totenstill«, sagte er. Wegen seines Exotenbonus habe man ihn möglicherweise von diesen rabiaten Umgangsformen verschont. Er sei froh, dass er unversehrt aus der Botschaft herausgekommen sei.
Ich erzählte Thorsten, dass meine Besuche in der koreanischen Botschaft bislang immer sehr zivilisiert abgelaufen seien. Noch lange nach seinem Besuch in der irakischen Botschaft sprach Thorsten über die Dinge, die er dort erlebt hatte.
Es muss im Sommer gewesen sein, als unser Chef mir die Order gab, seinen Lieblingspfarrer und eine kleine Schülergruppe aus dem Wahlkreis bei ihrer Demonstration für die Menschenrechte vor der chinesischen Botschaft am Märkischen Ufer in Berlin zu unterstützen. Ausgerechnet mich musste es treffen, dachte ich mir. Schließlich müsse einer vor Ort sein, falls es zu Problemen mit der Botschaft käme, erklärte der Chef, als ich ihm meine Bedenken darlegte. Und schließlich ist man doch dem Chef unterlegen. Also machte ich mich auf den Weg.
Vor dem riesigen Gebäudekomplex der Botschaft waren bereits der Pfarrer und die Schülergruppe eingetroffen, die mit Transparenten und Plakaten ausgestattet waren und diese gut sichtbar hochhielten. Natürlich durfte das Jesu-Kreuz nicht fehlen. Es sollte ein Kreuzzug werden im Namen der Menschenrechte. Medienvertreter von n-tv bis N24 waren auch vor Ort, um die Demonstration mit der Kamera für die Nachwelt festzuhalten, und ich war weit und breit der einzige Asiate, mittendrin, statt nur dabei. Die Schülergruppe warf mir mitleidige Blicke zu, wie man sie sonst nur von den traurigen Spendenaufrufen für Kinder aus der Dritten Welt kennt. Der Pfarrer stellte sich neben mich und fing an, den Ablauf der Demonstration zu erklären. Er drückte mir eine selbstverfasste Resolution in die Hand, die an den Botschafter gerichtet war und ihn aufforderte, alle politischen Gefangenen aus der Demokratiebewegung zu befreien, die Menschenrechte und die Charta der Vereinten Nationen einzuhalten. Dann forderte der Pfarrer mich auf, mich der Schülergruppe
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