Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
thailändischen, malaysischen und chinesischen Küche experimentiert, dass die betroffenen Länder froh sein können, intakte diplomatische Beziehungen zu haben.
»Die Vietnamesen haben einen schlechten Geschmack und können keinen guten Thai-Curry herstellen«, monierte mein Bekannter, der aussieht wie Kung-Fu Panda und einen Thai-China-Imbiss an der Voigtstraße betreibt. Er gibt den Vietnamesen die Schuld daran, dass viele China-Restaurants mit ihren chinesischen Besitzern Pleite gegangen sind.
»Armes China, alle wollen sie etwas von seinem goldenen Reistopf nehmen«, sagte er und fügte hinzu: »Die Vietnamesen plagiieren die chinesische Küche und nicht umgekehrt! Jetzt haben die schon aus der China-Box die Viet-Box gemacht«. Er selbst sei halb Chinese und halb Thai, in Laos geboren und aufgewachsen. Nach Deutschland sei er 1979 gekommen, weil er nicht irgendwann dank einer amerikanischen Landmine Hände und Füße verlieren wollte. In Deutschland könne er sich ohne Angst frei fortbewegen. Das Einzige, worauf er hier hin und wieder mal trete, seien die Hinterlassenschaften von Vierbeinern. »Das ist aber mit weitaus weniger Schmerzen verbunden und bringt schließlich Glück«, sagte er zu mir.
Mein Bekannter ist überzeugt, dass er den besten Curry macht. Sogar der Schauspieler Dirk Bach habe ihn in seinem Imbiss besucht. Stolz zeigte er mir das Beweisfoto. Die meisten deutschen Gäste wüssten seine Thai-China-Kochkünste aber einfach nicht zu schätzen, sagte er. Immer bestellten sie nur Nr. 86 China-Pfanne. »Kulinarische Abenteurer sind die Einheimischen nicht wirklich«, sagte er seufzend und steckte sich dabei eine Zigarette an.
Wenn mich die Faulheit heimsucht und ich genug von meinen eigenen Kochexperimenten habe, dann bin ich gerne Gast in seinem Imbiss in der Voigtstraße und bestelle mir seinen Thai-Curry. Der schwere Geruch der Eierspeisen und gebratenen Fleischspieße erinnert mich ein wenig an Seoul. Sowieso erinnert er mich an die typischen Köche aus Korea, die sich im Hintereingang des Restaurants bei einer Zigarettenpause in die Hocke setzen, grimmig in die Welt schauen und darüber sinnieren, was sie da wohl gerade verarbeitet haben. Um meinen Bekannten nicht unnötig aufzuregen, erzählte ich ihm nicht von dem Boxenaufstand, der draußen stattfindet, und dass die Türken ihre Döner-Box haben und die Vietnamesen aus der China-Box eine neutrale Asia-Box gemacht haben. Denn wo Asia draufsteht, kann schließlich asiatisches Allerlei drin sein. Stattdessen erzählte ich ihm von meiner Begegnung mit einer Vietnamesin, die in einem chinesischen Gewand in einer China-Box an der Badstraße im Wedding arbeitet. Von 10 Uhr morgens bis 21 Uhr abends steht ein türkischer Obstverkäufer in unmittelbarer Nähe vor dem Eingang der China-Box und schreit sämtliche Obstnamen, die er in seinem Sortiment zum Verkauf anbietet: »Erdbeere lecker! Ein Öro, ein Öro, ein Öro! Hallo! Hallo! Hallo! Bitte schön, bitte schön, bitte schön. Tomaten, Tomaten, ein Öro, ein Öro, ein Öro. Hallo! Hallo! Hallo! Bitte schön, bitte schön, bitte schön.« Die vietnamesische China-Pfannen-Verkäuferin muss das Geschrei des türkischen Obstverkäufers sechsmal die Woche, 11 Stunden am Tag ertragen. Mit schlechter Laune behandelt sie dementsprechend ihre Kunden und macht dem Ruf der asiatischen Anpassungsfähigkeit alle Ehre, indem sie beim Abkassieren sagt: »China Box! Drei Öro!«
In Berlin liegt die Integration der asiatischen Küche in den fleißigen Händen der Vietnamesen. Viele Asiaten sind sich wahrscheinlich nicht bewusst, wie viel auf dem Spiel steht. Die Sympathie in der einheimischen Gesellschaft steigt und fällt mit der Küche des jeweiligen Landes. Essen kann tatsächlich helfen, Vorurteile abzubauen, Brücken zu schlagen und Werte zu vermitteln. Wenn die Vietnamesen schlechtes Sushi anbieten, wird der Verbraucher nur Schlechtes von Japan denken. Das Gleiche gilt für das Thai-Curry, die Peking-Ente und neuerdings für türkische Pizzen.
Ich habe einen Vietnamesen an der Jannowitzbrücke entdeckt, der neben seiner China-Pfanne auch hausgemachte Lahmacun und frische Köfte anbietet. Mir können die vietnamesischen Imbissbetreiber nichts vormachen. Ein Blick, und ich weiß, über welche kulinarische Kompetenzen sie verfügen. So, wie sie wissen, wer ich bin, weiß ich, wer sie sind. Noch sind die Vietnamesen nicht bis zur koreanischen Küche vorgedrungen. Im Moment halten die Koreaner ihr
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