Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
ein Lieferservice, der die Fastfood-Bestellung nach Hause bringt. Für die Perversion des Fastfood Empires gibt es wohl keinen besseren Ort als Seoul.
Auch dieses Mal habe ich meine Reise in die Regenzeit gelegt. In Korea ist die Monsunzeit angebrochen. Es gießt aus Eimern. In Seoul ist der Han-Fluss vielerorts über die Ufer getreten und hat manche Straßen unbefahrbar gemacht. Eigentlich wollte ich zu Oma nach Ulsan fliegen. Kaum war ich am Gimpo Flughafen angekommen, wurden alle Flüge nach Ulsan wegen des Unwetters gestrichen. Mir blieb nichts anderes übrig, als in der Hauptstadt zu bleiben. Seoul, das ist Hip-Hop, das ist East Asian Dolce Vita , das ist Sex und Rock & Roll, das ist Sinfonie, Melancholie und grenzenlose Traurigkeit. Seoul, das ist Ode an die Freude, das ist Knockin’ on Heaven’s Door. Seoul ist wie ein Cocktail aus Drogen, mit dessen Entzug man erst zu leben lernen muss.
OLGA, WLADIMIR UND ICH GO FAR FAR EAST
W enn wir in Korea sind, bitte ich euch, nicht zu hinterfragen, was auf dem Tisch des Restaurants serviert wird, egal, wie merkwürdig es aussieht, befremdlich es riecht, ob es bellt oder noch ein wenig zappelt«, sagte ich zu Olga und Wladimir, als wir uns in einem koreanischen Restaurant in Kreuzberg mit Spezialitäten der koreanischen Küche auf unsere bevorstehende Reise einstimmten. »Ich bin euer Deutsch-Koreaner des Vertrauens! Was in Seoul passiert, bleibt in Seoul«, fügte ich mit einem vertrauensvollen Blick hinzu.
Olga und Wladimir nickten. Sie erwiderten nichts auf meine Bitte, lachten nur, und doch konnte ich Bedenken von ihren Blicken ablesen. Ehrlich gesagt konnte ich mir bei dem Satz nicht verkneifen, an Bondaegi , San-Nakji und auch ein wenig an Boshintang zu denken. Aber das sind fortgeschrittene Gerichte für Koreabesucher, nichts für Anfänger. Schon aus ethisch-moralischen Prinzipien wäre Boshintang gar nicht in Frage gekommen. Ich zahle gerne Steuern für meinen Hund.
Der Abend in Kreuzberg war jung, und es schien, als würden uns die Gründe für ein Glas Soju nicht ausgehen wollen. Wir erhoben die Schnapsgläser und tranken, um nur eine kleine Auswahl dessen zu nennen, an was ich mich noch erinnern kann, auf unsere Reise, auf Korea, die Kinder, die Frauen, die Liebe, das Leben und die Zukunft. Spätestens dann war mein Gesicht so rot gefärbt, dass ich damit ganz Friedrichshain-Kreuzberg hätte beleuchten können. Unser Tisch war mit allerlei Köstlichkeiten gedeckt wie Dolsot Bibimbap , Bulgogi , Samgyeopsal , Japchae , Mandus und Banchan . Trotz der Fülle schafften wir es, alles aufzuessen und jede Soju -Flasche bis auf den letzten Tropfen zu leeren. An diesem Abend lernte ich eine wichtige russische Sitte kennen: Trinken ohne Trinkspruch gilt in Russland als Saufen, Trinken mit einem Trinkspruch hingegen als russische Kultur.
Das Goethe-Institut hatte uns zu einer Literaturveranstaltung eingeladen. Unter dem Motto »Zuhause in der Fremde: Wladimir Kaminer und Martin Hyun erzählen« sollten wir über unsere Integrationserfahrungen in Deutschland berichten. In Deutschland ist das Thema zu einer Art Mode verkommen und hat bereits Konturen eines Wirtschaftsprodukts angenommen, dessen Profiteure und Designer in den seltensten Fällen die Migranten selbst sind. Zuhause in der Fremde spielt die Herkunft immer noch eine größere Rolle als der gemeinsame Blick in die Zukunft. Der Weg der Integration ist noch lang, aber wie die Koreaner zu sagen pflegen, ist der Anfang bekanntlich die Hälfte des Weges.
Persönlich hätte mir der Titel »Kaminer und Hyun: Go Far Far East« besser gefallen. Letztendlich war es egal. Schließlich kommt es auf den Inhalt an.
An einem regnerischen Maitag, an dem sich die erhitzten Gemüter in Berlin langsam beruhigten und sich auch die Asche aus Estland von den Wolken verabschiedete, verließen Olga, Wladimir und ich unser glückliches Zuhause Berlin. Damit wir von vornherein das ultimative Korea-Feeling bekommen würden, hatten wir uns darauf verständigt, mit einer koreanischen Fluggesellschaft zu reisen. Es machte uns nicht einmal etwas aus, als sich der Flugkapitän über die Lautsprecheranlage mit Kim Jong-il vorstellte. Schließlich gibt es nicht nur einen Kim Jong-il auf dieser Erde. Aeroflot und China Airlines boten zwar günstigere Flugtickets an, doch wir wollten sicher, und ohne um unser Leben zu bangen, in Seoul ankommen. Wladimir hatte mir einmal erzählt, dass die Russen nicht sonderlich gut im Autobauen seien,
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