Ohne Fleiß kein Reis: Wie ich ein guter Deutscher wurde (German Edition)
weil es nicht so leicht zu handhaben sei wie das Bohren nach Gas und Öl. Daraus schlussfolgerte ich, dass die Russen erst recht keine guten Flugzeugbauer sein konnten. Die Chinesen sind zwar inzwischen im Besitz von Volvo und planen, eigene Flugzeuge im großen Stil zu bauen, dennoch habe ich meine Bedenken gegenüber »Made-in-China«-Produkten, die meist schnellen Materialermüdungserscheinungen zum Opfer fallen.
Olga muss etwas Nostalgie verspürt haben, als wir über ihre ehemalige Heimat Sachalin flogen. In ihrer Grundschule war Olga mit einigen Nachfahren ehemaliger koreanischer Zwangsarbeiter in einer Klasse gewesen. Die traurige Geschichte der Koreaner in Sachalin ist ein Kapitel für sich. Wladimir erzählte mir noch von der koreanischen Möhre, die sich in Russland großer Popularität erfreue, unter einheimischen Koreanern jedoch kaum bekannt ist. Und ich dachte mir nur, dass auch die koreanische Möhre der Ruf ereilt, im eigenen Land nichts wert zu sein.
Wir kamen im Ausländerviertel Itaewon unter. Normalerweise meide ich diesen Bezirk, wenn ich in Seoul bin. Böse Zungen behaupten, Itaewon sei eine amerikanische Kolonie. Doch dieses Mal erschien mir Itaewon vielfältiger. Neben den koreanischen Straßenhändlern zieren auch indische und peruanische Verkäufer das Straßenbild, so wie die Moschee, die mir dieses Mal ein wenig größer erschien als sonst. In Itaewon waren seit einiger Zeit auch türkische Kebab-Shops beheimatet. Bei dem Anblick der Kebab-Spieße wurde ich fast ein wenig nostalgisch.
Wladimirs Russendisko versetzte die Menschen in Itaewon im Café Berlin bis in die frühen Morgenstunden in große Tanzlaune. Die Menschen tanzten nach russischer Folklore, und selbst die Gattin des Botschafters schwang das Tanzbein. Ich traute mich nicht zu tanzen. Wladimir meinte dazu nur, dass richtige Männer nicht tanzen.
Dass jeder Russe gerne Wodka trinkt, ist ein Gerücht, so ähnlich wie bei den Koreanern mit den Hunden. Die Seouler Nächte waren lang und wurden mit reichlich Wein begossen. Wir sprachen über maskuline Dinge, entdeckten unsere feminine Seite und resümierten, bewegte Dinge erlebt zu haben.
Eine kleine Verschnaufpause von der Hektik dieser Stadt gönnten wir uns im Yook-Sam-Building. Die Aussicht auf die Stadt vom 60. Stock bei Nacht ist einfach atemberaubend und verleitet zu Melancholie, und so saßen wir minutenlang stillschweigend da und genossen dieses, wie Wladimir es auf den Punkt brachte, »Monument der Menschheit«. Wir besuchten den Gyeongbokgung-Palast, wo Olga und Wladimir ein Hanbok anprobierten, was bei Olga einen so nachhaltigen Eindruck hinterließ, dass sie sich in den Kopf setzte, bis zum Ende der Reise eines zu kaufen, auch wenn es im deutschen Alltag kaum Verwendung dafür gab. In Insa-dong tranken wir Tee und kauften Souvenirs, etwa traditionelle koreanische Malerei. In Myeong-dong aßen wir Kalguksu im berühmten Myeong-dong Kyoja und schauten uns im Migliore nach Geschenken für die Lieben daheim um. Eine Reise nach Panmunjom, an die Grenze, sollte unseren Besuch in Korea abrunden. Die Fahrt dorthin war getrübt von Betroffenheit, jedoch verbunden mit der Hoffnung, dass alles ein friedvolles Ende finden werde.
Die Literaturshow unter Anwesenheit des deutschen Botschafters meisterten wir mit Erfolg. Auch in Korea, das sich durch seinen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg von einem Entsende- zu einem Aufnahmeland von Migranten entwickelt hat, befasst man sich mit dem Thema Integration.
Mit unvergesslichen Eindrücken und mit einem prächtigen Hanbok im Gepäck traten Olga und Wladimir die Rückreise nach Berlin an. Ich blieb. Ich brauchte Seoul noch ein wenig, diese versmogte Luft, diese Rasanz, das lebhafte Nachtleben, die kreative Küche, den Geruch von Samgyeopsal und Galbi an jeder Straßenecke und aus den Pochangmachas , den Service, die Noraebangs , den Soju , die saubere U-Bahn, die Mogyeoktangs , die Freunde, die Familie, den » Jeong «, die Portion Herzenswärme dieser Menschen, all dies gibt mir das gute Gefühl, in der Fremde ein kleines Zuhause gefunden zu haben.
PROBIEREN GEHT ÜBER STUDIEREN
E s gibt eine Studie, die Einblicke in die Häuser und den Lebensstil von Migranten gewährt. Schließlich möchte man sich verbildlichen, was aus den vielen Fördergeldern und Sozialtransfers geworden ist. Es gibt mittlerweile Erhebungen über das Fortpflanzungsverhalten von Migranten. Es gibt Gutachten über das Gewalt- und Wahlverhalten sowie über die
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