Ohne Gewaehr
Wochen mit
meinen neugewonnenen Freunden durch die Bostoner Bars und Clubs gezogen war.
War ich da glücklicher? Oder war es nicht Daniel, der meinem Leben erst einen
Sinn gab? Diese Vorstellung erschreckte mich – wie konnte mein Leben nur durch
einen Mann einen Sinn ergeben? Selbst wenn ich ihn mehr liebte, als alles andere
auf der Welt, durfte ich ihn deshalb doch nicht über mein eigenes Wohlergehen
stellen?
»Ich habe mich zum ersten Mal so richtig verliebt«,
gestand ich Katie. »Ich kann einfach an nichts anderes mehr denken. Wenn Daniel
nicht da ist, vermisse ich ihn schrecklich. Und ihm scheint es genauso zu
gehen.«
Meine Freundin sah mich eindringlich an. »Juliet, das
ist keine Liebe. So etwas nennt man Besessenheit. Du bist doch total abhängig
von ihm, du benimmst dich wie eine Drogensüchtige! Immerzu auf der Suche
danach, das Verlangen noch einmal zu befriedigen. Du kannst schon nicht mehr
klar denken, stimmt‘s?«
Ich nickte zögernd. Sie hatte recht. Und wie eine
Abhängige sah ich keinen Grund, damit aufzuhören. »Du hättest Psychologie
studieren sollen«, versuchte ich sie abzulenken, denn ich wusste nicht, was ich
ihr sonst antworten konnte.
»Ich mache mir Sorgen um dich! Du hast hier nicht viele
Freunde, besonders seit Garry verschwunden ist. Ich würde dir ja gern helfen,
aber du musst den ersten Schritt selber gehen.«
Der Gedanke an Garry ließ mich zusammenzucken. Ich
machte mir Vorwürfe, weil ich die Suche nach ihm fast aufgegeben hatte. An
manchen Tagen dachte ich überhaupt nicht mehr daran, was meinem besten Freund
zugestoßen sein könnte. Meistens dachte ich nur noch an Daniel.
»Du hast recht«, gab ich zögernd zu. »Als ich aus New
York zurückkam hatte ich vor, mir eine Stelle als private Tanzlehrerin zu
suchen. Corinne ist damit sehr erfolgreich und ich dachte, es würde perfekt in
meinen Tagesplan passen, weil man flexibel ist und auch noch selbst trainieren
kann.«
Katie hörte mir aufmerksam zu. »Und warum machst du es
dann nicht?«
»Daniel möchte nicht, dass ich zu fremden Leuten nach
Hause gehe.« Schon als ich es aussprach merkte ich, wie jämmerlich sich meine
Begründung anhörte.
Katie dachte einen Moment nach. »Bei Privatstunden
kenne ich mich nicht so gut aus, aber an der Tanzakademie suchen sie immer neue
Lehrer. Die Kurse laufen den ganzen Tag über und sind für alle Altersgruppen
und Schwierigkeitsgrade. Ich habe dort als Studentin gearbeitet und zwei Jahre
lang klassische Tänze unterrichtet. Die geben dir jede Menge Freiheiten, aber
das Gehalt ist abhängig davon, wie viele Leute du unterrichtest. Wenn keiner kommt,
dann gibt‘s auch kein Geld.«
Die Vorstellung, an einer Tanzschule zu arbeiten,
faszinierte mich. Ich hatte schon häufiger Ballettstunden für Kinder gegeben
und das hatte mir viel Spaß gemacht. »Kannst du mir die Adresse geben?«, fragte
ich aufgeregt. »Ich habe den ganzen Tag lang nichts vor, ich könnte heute noch
vorbeischauen.«
»Dann lass uns nach dem Duschen zusammen dorthin
fahren, ich muss sowieso in dieselbe Richtung«, meinte Katie. Ich hätte sie vor
Freude umarmen können.
Doch als ich zum Umziehen in die Suite zurückkehrte,
kamen mir erste Zweifel. Wie würde Daniel reagieren? Er hatte mir ganz klar zu
verstehen gegeben, dass ich nicht für andere Leute arbeiten sollte. Na gut,
eigentlich hatte er nur gesagt, er wolle nicht, dass ich bei anderen Leuten zu
Hause Tanzstunden gab. Gegen die Tanzschule hatte er nichts gesagt. Sollte ich
ihn anrufen, bevor ich mit Katie losfuhr? Aber was sollte ich tun, falls er
sich gegen die Tanzschule aussprach?
Ich beschloss daher, ihn nicht aufzuschrecken.
Hoffentlich hatte er genug mit seiner angestauten Arbeit zu tun und keine Zeit,
mich ständig unter Beobachtung zu behalten. Smith schien sich seit dem Anschlag
von mir fernzuhalten und Mr. Burton war zum Glück nirgendwo zu entdecken.
Ich machte mich fertig, das Handy steckte ich lieber
nicht ein, sonst wäre Daniel innerhalb kürzester Zeit hinter mir her. Und ich
ließ auch meine Umhängetasche in der Suite, so dass er nicht auf den Gedanken
kam, ich hätte das Hotel verlassen, falls er zufällig hier nach mir suchte.
Katie wartete vor dem Fitnessstudio auf mich, versunken
in eine innige Umarmung mit Steve. Als ich näher kam, wichen sie schnell
auseinander. Ich grinste verlegen. Die beiden hatte es wirklich ganz schön
erwischt.
Die Männer von der Hotelsecurity abzuschütteln war
einfach, schließlich wollte kein
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