Ohne Gnade
langen Saals mit den schweren Vorhängen klang leise Musik. Nick wandte sich an Lazer.
»Wollen Sie mitkommen? Die Party scheint immer noch in vollem Gange zu sein.«
»Warum nicht? Vielleicht können sie einen guten Pianisten brauchen.«
Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinauf. Die Tür war abgesperrt. Nick drückte anhaltend auf den Klingelknopf.
Als die Tür schließlich aufging, steckte Craig den Kopf heraus. Sein Gesicht war angeschwollen, und man konnte schon den Ansatz einer bläulichen Verfärbung erkennen. Nach seinem Blick zu schließen, hatte er viel getrunken. Er funkelte sie zornig an.
»Was, zum Teufel, wollen Sie? Die Party ist vorbei.«
»Hört sich aber nicht so an.«
Nick schob ihn mit dem ausgestreckten Arm beiseite und trat ein. Die Halle war leer, aber im langen Saal drehten sich immer noch zwei Paare ziellos über das Parkett. Auf einem Sofa neben dem Kamin schlief ein Mann im Smoking.
Lazer ging durch den Raum zum Plattenspieler, schaltete ihn ab, setzte sich an den Flügel und begann zu spielen. Craig knallte die Tür zu, packte Nicks Arm und drehte ihn herum. Nick befreite sich ohne große Schwierigkeiten.
»Wenn Sie das noch einmal machen, fliegen Sie durch die Wand. Wo ist Mrs. Faulkner?«
»Haben Sie einen Haftbefehl?«
»Den brauche ich nicht. Wo ist sie?«
»Ich habe sie vor einer halben Stunde in ihr Zimmer gehen sehen. Sie hatte wohl genug.«
»Dann schaffen Sie sie herbei. Sagen Sie ihr, daß ich sie sprechen möchte.«
Craig wollte wütend etwas erwidern, klappte den Mund aber wieder zu und entfernte sich. Nick ging zum Flügel.
Lazer grinste müde.
»Hier waren wir schon mal, General.«
»Eine lange Nacht, Chuck. Eine verdammt lange Nacht«, sagte Nick. »Wie wär's mit einem Schluck?«
»Könnte ich gebrauchen.«
Nick trat hinter die Bar, fand zwei saubere Gläser und eine Flasche schottischen Whisky und kehrte zum Flügel zurück. Er füllte Lazers Glas fast bis zum Rand, goß das seine voll und kippte den Whisky auf einmal hinunter.
»Vorsicht, General, so kann das zur Gewohnheit werden«, meinte Lazer.
Während die Wärme sich in Nicks Körper ausbreitete, füllte er sein Glas von neuem, lehnte sich an den Flügel und hörte der Musik zu. Es war fünf Uhr früh, nach einer strapaziösen Nacht, und er fühlte sich todmüde. Zu müde, um klar denken zu können. Das durfte aber nicht sein, denn in irgendeinem Winkel seines Gehirns wollte sich etwas bemerkbar machen, der Schlüssel zu dem Rätsel, aber er vermochte sich einfach nicht darauf zu konzentrieren.
Craig tauchte neben ihm auf und verbeugte sich ironisch.
»Sie fühlt sich nicht besonders wohl. Sie werden bis morgen warten müssen, Mr. Miller.«
»Morgen haben wir schon.« Nick schüttelte den Kopf. »Sie sollten sich mehr anstrengen, Craig. Wenn Sie so weitermachen, gibt Ihnen kein Hund mehr ein Stück Brot.«
Er ging durch den Saal, ohne auf Craigs Wutschrei zu achten, hastete durch die Halle und erreichte die Bibliothek. Als er die Tür öffnete, holte ihn Craig ein und packte ihn an der Schulter. Nick gab ihm einen Stoß, daß er durch die Halle taumelte, warf die Tür hinter sich zu und schloß sie ab.
Das Feuer im Kamin war niedergebrannt, aber die Lampe auf dem Schreibtisch war noch eingeschaltet. Er ging zur Schlafzimmertür und klopfte. Nichts rührte sich. Er versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war abgeschlossen.
Er klopfte noch einmal.
»Bella, hier ist Nick Miller. Ich muß unbedingt mit Ihnen reden.«
Eine Weile blieb es still, dann hörte er leise Schritte. Der Schlüssel wurde umgedreht. Als er die Tür aufriß, trat sie ein und ging zum Kamin.
Sie trug ein schwarzes Seidenneglige, das an den Ärmeln mit Nerz besetzt war. Ihr Gesicht war leichenblaß, an den Augen breiteten sich tiefe Schatten aus. Sie griff nach einem Glas auf dem Abstelltisch, füllte es mit Gin und sah ihn trotzig an.
»Was hat Harry angestellt? Erzählen Sie mir bloß nicht, daß es euch nach so vielen Jahren endlich gelungen ist, ihm etwas nachzuweisen!«
»Harry?« Nick runzelte die Stirn und mußte einen Augenblick nachdenken, bevor er begriff, »Sie irren sich, Bella. Es war Fred Manton, der zuviel riskiert hat. Er wollte mit dem Safeinhalt vom ›Flamingo‹ das Weite suchen. Harry ist gebeten worden, bei der Durchsuchung anwesend zu sein, das ist alles.«
Aus dem Spiegel hinter ihr starrte sie ein Fremder an.
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