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Ohne Gnade

Ohne Gnade

Titel: Ohne Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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fragte sie und blies den Rauch in die Luft.
      »Lang genug.« Er schaute zum Fenster hinaus. »Wird sich allerhand verändert haben.«
    »Fast alles«, sagte sie.
      Garvald grinste. Als er die Hand ausstreckte und ihr plötzlich durchs Haar fuhr, stockte ihr Atem.
    »Manches bleibt sich gleich.«
      Mit einemmal stieg die Angst in ihr hoch. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet, und sie kam sich völlig hilflos vor, mitgerissen von einer unwiderstehlichen Strömung. Er beugte sich schnell über die Theke und küßte sie auf den Mund.
    »Auf ein andermal.«
      Er glitt vom Hocker und hatte mit wenigen Schritten das Freie erreicht.
    Die beiden Männer in der Ecke eilten ihm nach, aber als sie auf die Straße kamen, war er schon im Nebel verschwunden. Der Ire begann zu laufen. Sekunden später sah er Garvald mit schnellen Schritten um die Ecke in eine schmale Gasse biegen. Er grinste und stieß seinen Begleiter mit dem Ellbogen an.
    »Der bedient sich auch noch selber.«
      Sie bogen um die Ecke und schritten auf dem unebenen Pflaster zwischen baufälligen viktorianischen Häusern dahin, die von eisernen Gittern umgeben waren. Der Ire blieb stehen und hielt seinen Begleiter am Ärmel fest, aber man hörte nur den gedämpften Verkehrslärm von der Hauptstraße herüber.
      Er zog die Brauen zusammen und trat einen Schritt vor. Hinter ihm schnellte Garvald von der tieferliegenden Treppe hoch, wo er gewartet hatte, riß den kleinen Mann herum, und sein Knie zuckte hoch.
      Ächzend sank der kleine Mann zu Boden. Der Ire fuhr herum. Garvald stand neben der sich windenden Gestalt, die Hände in den Manteltaschen. Er lächelte schwach.
    »Suchen Sie jemand?«
      Der Ire sprang ihn mit ausgestreckten Händen an, griff aber in die Luft und verlor den Halt, als ihm die Beine weggerissen wurden.
      Er fiel auf das nasse Pflaster und raffte sich fluchend auf. Im selben Augenblick packte Garvald mit beiden Händen sein rechtes Handgelenk und drehte ihm den Arm brutal auf den Rücken.
      Der Ire schrie auf. Garvald lief los und rammte ihn mit voller Wucht gegen das Eisengeländer.
      Der kleine Mann hatte sich schwankend erhoben. Er lehnte am Geländer und krümmte sich. Garvald stieg über den Iren hinweg und kam auf ihn zu. Das Gesicht des kleinen Mannes verzerrte sich angstvoll.
      »Nein, um Himmels willen, nein! Lassen Sie mich in Ruhe!« stammelte er.
    »Schon besser«, sagte Garvald. »Viel besser. Wer hat euch auf mich gehetzt?«
      »Ein gewisser Rosco – Sam Rosco. Terry und er waren vor ein paar Jahren miteinander im Knast. Vorige Woche hat er Terry aus dem Kaff im Norden geschrieben, wo er wohnt. Er meinte, daß Sie unbeliebt sind und keiner Sie mehr sehen will.«
      »Und davon hättet ihr mich überzeugen sollen?« meinte Garvald belustigt. »Wieviel habt ihr für den Job bekommen?«
    Der kleine Mann befeuchtete seine Lippen.
    »Hundert – für uns beide«, fügte er hastig hinzu.
      Garvald ließ sich neben dem Iren auf ein Knie nieder, drehte ihn um und durchsuchte ihn. Dabei pfiff er ein seltsames, trauriges Lied vor sich hin. Er fand eine Brieftasche und entnahm ihr ein Bündel Fünf-Pfund-Noten.
    »Ist das alles?«
    »Ja. Terry hat noch nicht geteilt.«
    Garvald zählte das Geld und schob es in seine Jackettasche.
    »Hat sich gelohnt, der Vormittag.«
      Der kleine Mann kauerte neben dem Iren nieder. Er berührte vorsichtig sein Gesicht und zuckte zurück.
    »Mensch, sein Kiefer ist gebrochen!«
      »Dann würd' ich ihm einen Arzt besorgen.« Garvald drehte sich um und tauchte im Nebel unter.
      Sein Pfeifen war noch ein paar Augenblicke zu hören, dann verklang es auf gespenstische Weise. Der kleine Mann kauerte immer noch neben dem bewußtlosen Iren, vom Regen völlig durchnäßt.
    Das Lied – diese verdammte Melodie.
    Er schien sie nicht loswerden zu können. Plötzlich, ohne daß er später dafür einen Grund angeben konnte, begann er zu weinen, hilflos wie ein kleines Kind.
    2

    Und dann kam jene Nacht, in der eisiger Ostwind von der Nordsee durch die Straßen der grauen Stadt im Norden fegte, der durch die tiefen Häuserschluchten der neuen Wohnsiedlungen pfiff. Und als der Regen kam, war es der kalte, peitschende Regen des Winters, der wie Schrotkörner gegen die Fensterscheiben prasselte.
      Jean Fleming saß in einem Büro der Kriminalpolizei auf einem harten Holzstuhl und wartete. Es war kurz nach neun Uhr, und der Raum machte einen verlassenen Eindruck. Von den

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