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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Schlangen nicht viel übrig, aber irgendwie schien es ihr doch zu gefallen, bei deren Anblick laut aufzukreischen.
    Die Hauptattraktion, ein burmesischer Albinopython, war leider nicht zu sehen. Vor dem Terrarium hing ein Pappschild mit der Aufschrift:
Entschuldigung, bin mal weg zum Mittagessen, Polly Python
.
    Janie fand das komisch und kicherte. Jason zuckte mit den Achseln und dachte: Noch ein schlafendes Tier. Erwollte sich gerade abwenden, als ihm auffiel, dass das Pappschild die Glasfront nicht vollständig abdeckte. Es war ein kleiner Spalt an der Seite frei geblieben, der Einblick in das Terrarium bot, und durch ihn konnte er sehen, dass Polly nicht weg war, sondern hier, an Ort und Stelle, zu Mittag aß, nämlich einen niedlichen kleinen Präriehasen, der zitternd am Boden hockte, während die Schlange ihr seltsames Maul aufsperrte, um sich das arme Tierchen dann ganz langsam und unter ungeheurem Kraftaufwand einzuverleiben.
    Jason rührte sich nicht vom Fleck und war über eine, vielleicht zwei Minuten wie in Trance, unfähig wegzusehen, wie das gerade erstickte Häschen Zentimeter für Zentimeter seines braunen Fellkleides in den glänzenden Windungen der Riesenschlange verschwand.
    Ich weiß genau, wie du dich fühlst
, dachte er eingedenk des Opfertieres.
    Dann zog ihn der Vater am Arm hinter sich her durch den Ausgang und hinaus in den glühend heißen Sommer Georgias.
    Der Vater behielt ihn für den Rest des Tages fest im Auge, als suchte er nach Anzeichen. Wofür? Eine Psychose? Einen bevorstehenden Nervenzusammenbruch? Einen drohenden Gewaltausbruch?
    Nichts dergleichen stellte sich ein. Auch nicht in der Folgezeit. Jason, der erbärmlich hagere und für sein Alter viel zu klein geratene Junge, durchlebte jeden neuen Tag so wie den Tag zuvor und ließ einen erbärmlichen Moment nach dem andern auf sich zukommen, bewaffnet nur mit seinem starren Blick ins Unendliche.
    Bis zu dem Tag, als er achtzehn wurde und Rita beerbte. Hatten seine Eltern eine Geburtstagsparty für ihn organisiert? Hatte Janie ihm ein Geschenk gemacht?
    Er sollte es nie erfahren, denn am Morgen seines Geburtstags marschierte er geradewegs zur Bank, kassierte zwei Komma drei Millionen Dollar und verschwand.
    Zuvor war er schon einmal von den Toten zurückgekehrt. Doch das wollte er seiner Familie nie wieder antun.
     
    Sandy war schwanger.
    Er musste etwas unternehmen.
    Der Gedanke an ihre Schwangerschaft blieb ihm, sooft er ihn auch hin und her wälzte, sonderbar fremd. Er konnte die drei Worte aussprechen, immer und immer wieder, doch es schien ihm, als gehörten sie nicht zu seiner Sprache.
    Sandy war schwanger.
    Er musste etwas unternehmen.
    Die Polizei war weg. Sie hatte kurz nach eins das Haus verlassen und den Computer mitgenommen, so auch seinen iPod, Rees Leapster und ein paar Sachen aus dem Keller, wahrscheinlich Kisten voll alter Software. Keine Ahnung. Es machte ihm nichts aus. Ihm war eine Liste der beschlagnahmten Gegenstände zur Unterschrift vorgelegt worden, doch er hatte kaum Notiz davon genommen.
    Er fragte sich, ob das Baby von ihm war, und spielte mit dem Gedanken, mit Ree unterzutauchen.
    Auf dem Dachboden befand sich, hinter Glaswolle versteckt,eine schlanke Metallkassette mit zwei gefälschten Ausweisen und ungefähr fünfundzwanzigtausend Dollar in großen Scheinen. Die Kassette war nicht größer als ein gebundenes Buch und der Geldscheinstapel überraschend dünn. Die Cops hatten das Versteck offenbar übersehen, denn wenn sie darauf gestoßen wären, hätten sie bestimmt sofort Fragen gestellt.
    Er würde auf den Dachboden gehen, die Kassette holen und in seine Aktentasche stecken. Er würde Ree aufwecken, ihr die Haare kurz schneiden und eine rote Baseballkappe aufsetzen. In ihrer Latzhose und dem blauen Poloshirt gäbe sie einen hübschen kleinen Charlie ab, auf Reisen mit dem frisch rasierten Paps.
    Weil vorm Haus die Presse kampierte, würden sie durch den Hinterausgang verduften, über den Zaun klettern und ein paar Blocks weiter ein Auto kurzschließen. Die Polizei würde damit rechnen, dass er zur South Station führe, also würde er stattdessen zum Amtrak-Bahnhof an der Route 128 fahren und dort ein anderes Auto knacken. Die Polizei würde alle Züge in den Süden kontrollieren, denn da flüchteten schließlich alle hin, nach New York etwa, wo man leichter untertauchen konnte.
    Also würde er mit dem zweiten gestohlenen Wagen in den Norden durchstarten, bis hoch nach Kanada. Er würde

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