Ohne jede Spur
moderndem Laub roch, wo ihm Hunderte von Spinnennetzen durchs Gesicht und über den Kopf streifen und dicke behaarte Spinnen über Turnschuhe, Hosenbeine und Schulternhuschen würden, um sich in Sicherheit zu bringen. Und es gab in der Dunkelheit dort weitaus Entsetzlicheres als aufgeschreckte Spinnen.
Er versuchte, an Janie zu denken, an die Art, wie sie und nur sie ihn mit herzlicher Umarmung zu Hause willkommen hieß. Er wollte sich daran erinnern, wie er auf dem Fußboden neben ihr hockte und ihr zuliebe Einhörner malte, während sie laut darüber nachdachte, wie wichtig die Farbe Purpur sei und wie schön es wäre, in einem Schloss zu leben.
Er wollte sich an ihren zwölften Geburtstag erinnern, als er ihr von all seinem Ersparten eine Reitstunde spendiert hatte, weil es sich die Eltern nicht leisten konnten, ihr ein Pony zu kaufen.
Und er wollte glauben, dass sie am Morgen seines achtzehnten Geburtstags nicht geweint hatte, weil er wieder einmal verschwunden war. Dass er seiner kleinen Schwester nicht das Herz gebrochen hatte.
Denn er hatte damals eine Lehre begonnen und gelernt, dass die Familie einer vermissten Person nicht weniger leiden musste als die vermisste Person selbst, dass mit so vielen Fragen zu leben schwieriger war, als die Person zu sein, die alle Antworten kannte.
Und er lernte, wie groß die Angst vor dem Schreckgespenst sein konnte, wenn es in einem selbst wohnte. Das Monster aus seiner Jugend war, wie auch immer, zurückgekehrt, um ihm die Familie zu nehmen.
Jason ging im Wohnzimmer auf und ab, zwanzig, dreißig Minuten lang. Die Uhr tickte, und die Zeiger rücktenimmer näher auf einen weiteren Morgen ohne seine Frau zu.
Max würde wiederkommen.
So auch die Polizei.
Noch mehr Presse. Weitere Fernsehberichte und Talkshows wie die von Greta Van Susteren oder Nancy Grace. Sie würden auf ihre Weise Druck ausüben. Die Schlagzeilen: Schöne Frau seit Tagen vermisst. Der rätselhafte Ehemann und seine dunkle Vergangenheit. Man würde darin herumwühlen und ihn zur Schau stellen. Und irgendwo in Georgia gäbe es Leute, die zum Telefonhörer greifen würden, weil sie etwas über ihn wussten.
Dann hätten sowohl Max als auch die Polizei gute Gründe, ihm das Sorgerecht als Vater abzuerkennen. Wann würde es so weit sein? Gegen Mittag? Um zwei? Oder passend zur besten Sendezeit? Mancher Nachrichtensprecher würde seinen Stern aufsteigen sehen.
Und Jason … Wie um alles in der Welt sollte er seiner Tochter Lebewohl sagen?
Was würde aus ihr werden, ohne Mutter, ohne den Vater, den sie kannte?
Er musste etwas unternehmen.
Sandy war schwanger.
An den Computer war nicht ranzukommen. Den Jungen Ethan Hastings konnte er nicht zur Rede stellen. Er konnte nicht davonlaufen. Was tun? Was tun?
Kurz nach zwei in der Nacht fasste er einen Entschluss. Eine andere Möglichkeit blieb ihm nicht.
Er würde Ree, schlafend in ihrem Bett, allein zurücklassen müssen, was ihr in ihren vier Jahren kein einzigesMal zugemutet worden war. Was, wenn sie aufwachte? Was, wenn niemand im Haus war und sie hysterisch zu schreien anfangen würde?
Oder was, wenn da doch jemand wäre und im Schatten darauf lauerte, dass Jason einen Fehler machte, auf eine günstige Gelegenheit, um an Ree heranzukommen. Sie wusste etwas über das, was in der Nacht auf Donnerstag geschehen war. Die Ermittlerin war davon überzeugt und er auch. Wenn jemand Sandy entführt hatte und dieser Jemand fürchten musste, von Ree gesehen worden zu sein …
D. D. hatte versprochen, das Haus observieren zu lassen. War es ein Versprechen oder eine Drohung? Von beidem etwas, hatte er gehofft.
Jason ging nach oben und zog sich um. Mit schwarzer Jeans und einem schwarzen Sweatshirt hielt er noch einmal kurz vor Rees Tür an und lauschte angestrengt. Als er die Stille nicht länger aushalten konnte, öffnete er leise die Tür, weit genug, um sich vergewissern zu können, dass seine vierjährige Tochter noch lebte.
Sie schlief, in sich zusammengerollt, das Gesicht verdeckt von einem Arm. Mr Smith lag in ihrer Kniebeuge.
Und Jason erinnerte sich ganz deutlich an den Moment, als er sie zur Welt hatte kommen sehen. Runzlig, klein und bläulich. Mit zitternden Fäusten und gekräuselten Lippen, über die ein winziges Wimmern kam. Er hatte sich sofort mit Haut und Haaren in sie verliebt. In seine Tochter, sein einziges Wunder.
«Du gehörst mir», flüsterte er.
Sandy war schwanger.
«Ich beschütze dich.»
Sandy war
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