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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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schwanger.
    «Ich beschütze dich ganz und gar.»
    Er verließ das Haus und lief die Straße hinab.

24.   Kapitel
    Weißt du, woran man sich im Knast am allerwenigsten gewöhnen kann? An die Geräuschkulisse. An den ununterbrochenen Lärm, den Männer machen, rund um die Uhr, und das an sieben Tagen die Woche. Männer grunzen, furzen, schnarchen, wichsen, schreien. Die Durchgeknallten faseln ständig irres Zeug. Aber auch sonst wird geredet und geredet und geredet, selbst auf dem Topf, als wäre es irgendwie leichter, unter den Blicken der anderen zu scheißen, wenn man dabei irgendeinen Schwachsinn erzählte.
    Während der ersten vier Wochen habe ich kein Auge zugetan, so überwältigend waren der Gestank, das, was ich sah, und vor allem der grauenhafte Lärm, der keine Pause macht und einem nicht einmal dreißig Sekunden Ruhe gönnt, in denen man sich einbilden könnte, woanders zu sein als hinter Gittern.
    In der dritten Woche wurde ich zum ersten Mal besprungen. Ich hab’s kommen hören, auf weichen Gummisohlen hinter mir. Es folgten weitere altehrwürdige Knastgeräusche – das Klatschen einer Faust, das Krachen, wenn Knochen auf Betonziegel prallen, und dasGegröle der anderen Zootiere, wenn da einer mit heruntergerissener Anstaltshose auf den Knien kauerte und zwei, drei, manchmal auch ein halbes Dutzend Typen von hinten drauflosrammeln.
    In der vierten Woche besuchte mich Jerry. Er war der einzige Besucher, den ich hatte. Mein Stiefvater saß mir gegenüber, betrachtete mein blaugeschlagenes Gesicht, sah wohl auch, dass ich wie irre vor mich hin starrte, und fing zu lachen an.
    «Sag ich doch, du miese kleine Schwuchtel überstehst hier keinen Monat.»
    Dann ging er.
    Ihm verdanke ich, dass ich eingebuchtet wurde. Er fand die Briefe, die ich an «Rachel» geschrieben hatte, und rief die Cops, nachdem er mich zur Schnecke gemacht und mit der Blechbüchse nach mir geworfen hatte, in der ich meine persönlichen Sachen aufbewahrte. Das Ding traf mich über dem Auge. Danach drosch er mit Fäusten auf mich ein.
    Jerry war knapp eins neunzig und an die hundert Kilo schwer, früher in der Highschool ein Footballstar, später zum Geldverdienen auf Hummerfang, bis er zwei Finger verlor und sich darauf verlegte, Frauen auf der Tasche zu liegen. Meine Mom war die erste. Sie starb, als ich sieben war, aber er fand schnell Ersatz. Ich hatte meinen Platz in der Familie, die keine war, und musste als kleiner blonder Junge die Tussis für ihn anbaggern. Denen sagte ich zwar, dass ich gar nicht sein Sohn bin, aber das interessierte sie nicht. Offenbar sind Witwer enorm sexy, selbst solche, die einen Bierbauch und nur noch acht Zähne haben.
    Wie gesagt, Jerry prügelte auf mich ein. Der erste Faustschlag hatte mich schon niedergestreckt, aber er landete, gründlich, wie er war, zwanzig weitere. Während ich am Boden lag und Blut spuckte, rief er die Cops, damit sie für ihn die Müllabfuhr spielten.
    Die Cops kamen ins Haus, nickten Jerry kurz zu und glotzten mich an.
    «Der ist es?»
    «Allerdings, ’ne kranke Sau. Das Mädchen ist erst vierzehn.»
    Sie hievten mich vom Boden hoch. Ich hustete immer noch Blut und konnte mich kaum auf den Beinen halten, aber sie zerrten mich nach draußen.
    Plötzlich tauchte Rachel auf. Sie war gerade mit dem Bus von der Schule gekommen und spazierte, ganz in Gedanken versunken, aufs Haus zu. Als sie die Cops und mich vor der Tür stehen sah, fiel ihr die Kinnlade herunter. Mit Blick auf meine gebrochene Nase und die dick angeschwollenen Augen fing sie zu schreien an.
    Ich wollte ihr sagen: Mach dir nichts draus.
    Ich wollte ihr sagen: Es tut mir leid.
    Ich wollte ihr sagen, dass ich sie liebe und deshalb auf die Schmerzen und alles pfeifen kann. So sehr würde ich sie lieben.
    Aber dazu kam ich nicht mehr. Mir wurde schwarz vor Augen. Und als ich wieder zu Bewusstsein kam, lag ich in einer Zelle. Rachel sah ich nie wieder.
    Auf Anraten des Staatsanwalts habe ich mich für schuldig erklärt, um ihr eine Vorladung vor Gericht zu ersparen. Damit gab ich meine Freiheit auf. Meine Zukunft.
    Und dann musste ich mir auch noch sagen lassen, dass es keine richtige Liebe gewesen wäre.
     
    Ich weiß, was heute Abend ablaufen wird, und das schmeckt mir überhaupt nicht. Ich bekomme Besuch – von der hübschen Polizistin, die auf mich scharf ist wie ein Hund auf einen Knochen, und von den Jungs aus der Werkstatt, mit Baseballschlägern und Münzrollen in den Fäusten. Auch sie haben diesen Blick;

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