Ohne jede Spur
Du sollst mir alles über das Internet beibringen.»
D. D. war stinksauer. Sie verließ das Domizil der Jones, stieg in ihren Wagen und drückte wütend auf die Tasten ihres Handys. Es war fast elf Uhr am Abend, eigentlich zu spät für eine höfliche Unterhaltung, aber trotzdemwählte sie die Nummer des State Detective, und der war nächtliche Ruhestörungen gewohnt.
«Was ist?», meldete sich Massachusetts State Detective Bobby Dodge. Er klang verschlafen und verärgert, was gut zu ihrer Stimmung passte.
«Habe ich dich geweckt, Schatz?»
«Ja.» Er brach die Verbindung ab.
D. D. drückte auf Wahlwiederholung. Sie und Bobby waren einmal vor langer Zeit ein Paar gewesen. Es gefiel ihr, ihn zur Schlafenszeit anzurufen, und ihm gefiel es, sie aus der Leitung zu kicken. Also hatten beide was davon.
«D. D.», stöhnte er. «Ich hatte vier Nächte hintereinander Bereitschaft. Gönne mir bitte eine kleine Verschnaufpause.»
«Das Eheleben hat dich offenbar verweichlicht», stellte sie fest.
«Politisch korrekter formuliert: Es sorgt für geordnete Verhältnisse und Ausgewogenheit.»
«Ich bitte dich, Ausgewogenheit bedeutet in der Welt eines Cops, in beiden Händen ein Bier zu halten.»
Er lachte. Sie hörte Bettwäsche rascheln und lauschte dem Flüstern seiner Frau, was ihr die Röte ins Gesicht trieb. Sie kam sich vor wie ein Voyeur und war dankbar, dass sie nicht per Videokonferenz mit ihm verbunden war.
Sie hatte eine Schwäche für Bobby Dodge, ohne erklären zu können, warum. Irgendwie konnte sie nicht von ihm ablassen, obwohl sie es gewesen war, die ihm den Laufpass gegeben hatte. Was wieder einmal zeigte,dass sich clevere, ambitionierte Frauen selbst im Weg standen.
«Schieß los, D. D. Dir brennt doch was unter den Nägeln.»
«Hast du geschlafen, als du damals Scharfschütze bei den State Troopers warst?»
«Du meinst, mehr als heute?»
«Nein, ich meine, hast du ein Auge zugemacht, wenn du Bereitschaft hattest?»
«Was soll die Frage?»
«Hast du Nachrichten gesehen? Von der vermissten Frau aus Southie gehört?»
«Geht’s um eure Pressekonferenz? Habe ich verpennt, aber von Anabelle weiß ich, dass du ’ne tolle neue Frisur hast.»
D. D. fand es albern, sich geschmeichelt zu fühlen. «Ich war heute Abend im Haus des Ehemannes. Wir haben seinen Computer beschlagnahmt, und während die Kollegen von der Kriminaltechnik fleißig bei der Arbeit waren, ist der Hausherr doch tatsächlich auf dem Sofa eingeschlafen.»
«Wirklich?»
«Ja. Er hat die Augen zugemacht, den Kopf zurückgelehnt und war weg. Jetzt frage ich dich: Wann ist dir das letzte Mal jemand untergekommen, dessen Frau vermisst wird und der selig einpennt, während die Cops in seinen Privatsachen rumwühlen?»
«Das ist in der Tat seltsam.»
«Exakt. Seltsam. Als ich ihn anschließend darauf anspreche, erzählt er mir was von den Gepflogenheiten derMitglieder einer Sondereingreiftruppe, die in Alarmbereitschaft sind und schlafen, um für den Einsatz fit zu sein.»
Es blieb eine Weile still in der Leitung. Dann: «Was ist der Typ von Beruf?»
«Journalist. Arbeitet als Freiberufler für die
Boston Daily
.»
«Hmm.»
«Hmm was? Ich habe nicht angerufen, damit du mir was vorgrunzt. Ich will deine Expertenmeinung hören.»
Sie konnte sich bildlich vorstellen, wie er die Augen verdrehte. «Dann hör zu: Im Regelfall folgt der Einsatz unmittelbar auf die Bereitstellung. Aber ich ahne, worauf der Kerl anspielt. Ich hatte in meinem Team zwei Kollegen, die früher in militärischen Spezialeinheiten waren – Navy SEALs, Marine Force Recon und dergleichen. Ja, tatsächlich, diese Jungs konnten überall schlafen, auf Kuhwiesen, in Turnhallen, auf Lkw-Pritschen. Diese Jungs scheinen wirklich nach dem Motto zu verfahren: schlafen, solange nichts los ist, um gerüstet zu sein, wenn’s drauf ankommt.»
«Verdammt!» D. D. knabberte an ihrer Unterlippe. «Glaubst du, unser Mann könnte beim Militär gewesen sein?»
«Ich glaube, der Vogel ist so abgebrüht, dass er mit dem Leibhaftigen Poker spielen könnte.» Bobby gähnte. «Soll ich ihn mir mal unter die Lupe nehmen?»
«Untersteh dich!», schnaubte D. D. «Das ist mein Fall.»
«Reg dich ab, Blondie. Du hast mich angerufen.»
«Jetzt kommt der Clou», fuhr sie fort, als hätte sie seinen Einwand nicht gehört. «Seine Frau ist spurlos verschwunden, und es kann natürlich sein, dass er dahintersteckt. Wir haben seinen Müll durchsucht und einen
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