Ohne jede Spur
Unschuld miteinander. Und je länger Wayne darauf verzichtete, mich zu berühren, mir seine Hände auf die Brüste zu legen oder meinen Nacken mit den Lippen zu liebkosen, desto mehr brannte ich darauf. Verrückt, ich weiß, aber jedes Mal, wenn ich ihn ansah, glaubte ich, vor Lust zerspringen zu müssen.
Auch er war scharf auf mich. Ich spürte es an seinem Händedruck im Rücken, wenn er mir auf die Tribüne half, oder wenn er bei unseren Gängen durch die Flure stehen blieb und mir, ohne ein Wort zu sagen, in die Augen sah, von denen er sich schließlich loszureißen schien, um mit mir in die Halle zurückzukehren.
«Liebst du ihn?», fragte er mich eines Abends. Wer mit «ihn» gemeint war, musste nicht erwähnt werden.
«Er ist der Vater meiner Tochter», antwortete ich.
«Beantwortet das meine Frage?»
«Ich glaube, ja.»
Über mein Sexleben, oder besser: den Mangel daran, verlor ich kein Wort. Ich hätte damit eine stillschweigende Vereinbarung mit meinem Mann verletzt. Ich durfte mit einem Fremden flirten, ihn in meinen Verdacht gegen meinen Mann einweihen. Aber zu gestehen, dass er nie mit mir geschlafen hatte, brachte ich nicht über mich. Diese Grenze konnte ich nicht überschreiten.
Und ich wollte Jason auch nicht kränken. Ich wollte … einfach nur Wayne. Genießen, in seiner Nähe zu sein, mich jung, schön, begehrenswert fühlen.
Stark.
Wayne begehrte mich, und weil er mich nicht haben konnte, begehrte er mich umso mehr.
Ende Januar schrieb er keine E-Mails mehr, sondern nur noch Kurznachrichten aufs Handy, während ich in der Schule war. Er schickte mir Smileys, manchmal auch das Bild einer Blüte, die er mit seinem Handy in einem Blumenladen aufgenommen hatte. Und dann kamen Fragen.
Ob ich nicht für Ree einen Babysitter engagieren oder meinem Mann mitteilen könnte, ich sei einem Lesezirkel beigetreten? Wie lange ich Mittagspause hätte?
Er sagte nie, dass er mit mir ins Bett wollte, spielte nie auf meinen Körper an und verzichtete auf anzügliche Bemerkungen. Allerdings warb er immer heftiger um ein
privates Rendezvous. Was wir dann tun würden, verstand sich von selbst.
Die Mittagspause kam nicht in Frage. Sie war zu kurz, und es hätte zu viel passieren können. Was, wenn Jason plötzlich mit Ree aufgetaucht wäre oder ein Schüler auf der Suche nach mir? Und gewiss würde auch Ethan skeptisch werden.
Ebenso wenig kam ein Babysitter in Frage. Ich kannte niemanden, dem ich Ree hätte anvertrauen können. Außerdem hätte Jason wissen wollen, was für mich so wichtig wäre, dass ich mich um unser Kind nicht kümmern konnte.
Das mit dem Lesezirkel war leichter gesagt als getan. Welche Kontaktadresse hätte ich Jason geben können, und was, wenn er mich dort zu erreichen versuchte? Und damit war zu rechnen, denn er passte auf mich auf.
Nun, es war vielleicht wieder einmal Zeit für ein Wellness-Wochenende. Wayne wusste natürlich nichts von meinen kleinen Eskapaden, die ich im Einverständnis meines Mannes unternahm, und ich hatte auch nicht vor, ihm davon zu erzählen. Meine Wellness-Nächte waren anonymen Fremden vorbehalten, und so sollte es bleiben.
Uns blieb nichts anderes übrig, als kurze Nachrichten auszutauschen und uns auf die Donnerstagabende zu freuen, wenn ich dann mit ihm durch die Flure der South Boston Middle School schlenderte und seinen Blicken ansah, wie sehr er mich begehrte und nach mir verlangte.
Und es gefiel mir.
In der zweiten Februarwoche überraschte mich Jason mit dem Vorschlag, während der Schulferien gemeinsam Urlaub zu machen. Ich stand am Herd und ließ Hamburger in der Pfanne brutzeln. Wahrscheinlich war ich gerade in Gedanken an Wayne, denn es lag ein Lächeln auf meinem Gesicht. Jasons Ankündigung holte mich allerdings jählings in die Wirklichkeit zurück.
«Jippie!», kreischte Ree, die am Küchentresen saß. «Familienurlaub!»
Ich zeigte ihr meine gerunzelte Stirn. Wir waren noch nie in Urlaub gefahren. Wie konnte sie sich auf etwas freuen, das sie nicht kannte?
Jason aber achtete nicht auf sie. Er betrachtete mich mit nachdenklicher, abwartender Miene. Er führte irgendetwas im Schilde.
«Wohin?», fragte ich und wendete die Hamburger in der Pfanne.
«Nach Boston.»
«Da wohnen wir.»
«Ich weiß. Ich dachte, wir fangen klein an und quartieren uns in ein Hotel in der Innenstadt ein. Mit Swimmingpool und allem Drum und Dran. Für ein paar Tage spielen wir Touristen in unserer eigenen Stadt.»
«Hast du etwa schon
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