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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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ließ – ob Chicken Nuggets oder Weintrauben. Er erzählte mir von seiner Arbeit, etwas von dem Handy eines Bankräubers, das er zu untersuchen hatte, oder von seiner Beteiligung an einer Initiative zur Förderung der Sicherheit offener WLA N-Netze . Ich schilderte ihm eine komische Episode aus der sechsten Klasse, als es darum ging, Bulgarien auf der Weltkarte zu verorten. Und er verriet mir, dass sich Ethan mit dem BlackBerry seines Vaters in die Website einer großen Bank erfolgreich eingehackt hatte.
    Mittwochs ertappte ich mich dabei, dass ich voller Vorfreude auf den nächsten Abend vor mich hin summte. Nur noch vierundzwanzig Stunden. Ree und ich machten uns hübsch, kostümierten uns wie Loreena McKennitt und schwirrten wie zwei Elfen durchs Haus. Danach aßen wir von bunten Blumentellern zu Abend und tranken Milch aus Kristallgläsern, mit denen wir feierlich anstießen.
    Ich fühlte mich jünger und schwärmte für Wayne Reynolds. Ich fühlte mich beschwingt und glücklich in meiner Haut. Ich trug häufiger Röcke als Hosen, lackierte mir die Zehennägel knallrot und kaufte neue Unterwäsche, sogar einen Wonderbra mit Leopard-Print.
    Ich wurde eine bessere Mutter, zeigte viel mehr Geduld beim Kochen, Baden und Aufräumen. Ich konnte wieder herzhaft lachen, wenn Ree auf ihre quengelnde Art nach einer ganz bestimmten Gabel verlangte und wollte, dass diese genau so und nicht anders neben den Teller ihrer Wahl gelegt wurde.
    Ironischerweise wurde ich sogar eine bessere Ehefrau. Zwar kaufte ich eine externe Festplatte, schob aber mein Vorhaben immer weiter auf, denn wenn der «forensisch verwertbare» Klon unseres Familiencomputers bei Wayne abgeliefert wäre, hätte ich keinen Grund mehr gehabt, ihn wiederzusehen.
    Also versuchte ich meinen Verdacht gegen Jason zu entkräften. Ein Zufallsfoto im Papierkorb reichte doch wohl nicht aus, um ihm Schweinereien anzudichten. Er war wahrscheinlich zufällig auf der falschen Website gelandet und hatte die falsche Datei kopiert oder versehentlich heruntergeladen. Mein Mann ein Päderast? Unmöglich. Ich
sah doch, wie er sich Ree gegenüber verhielt, wie er sie anlächelte und mit welch endloser Geduld er es sich gefallen ließ, dass sie ihm die Haare flocht, oder wie er sie, wenn es geschneit hatte, auf ihrem kleinen lilafarbenen Schlitten kilometerweit durch die Nachbarschaft zog. Dieses Foto war mit Sicherheit ein dummer Zufall, der nichts zu bedeuten hatte.
    Ich kochte meinem Mann seine Lieblingsgerichte, lobte seine Artikel und scheuchte ihn zur Arbeit, denn je früher er ging, desto eher konnte ich mit Wayne online in Kontakt treten.
    Jason fragte mich nie nach der Ursache meines Stimmungsumschwungs. Natürlich erinnerte er sich an meinen Wunsch nach einem zweiten Kind. Wahrscheinlich war er froh, dass ich nicht wieder davon anfing.
    Ich versuchte kein weiteres Mal, ihn zu berühren, was ihn offenbar erleichterte.
    Ree und ich entwickelten für die Donnerstage eine neue Routine. Ich holte sie von zu Hause ab und ging mit ihr in das kleine Bistro um die Ecke, wo wir früh zu Abend aßen. Anschließend fuhren wir zum Basketballspiel. Ree nahm neben Ethan Platz, und sobald das Match begann, verschwand ich mit Wayne.
    «Wir gehen ein bisschen spazieren», sagte ich, und Ree nickte nur kurz, denn sie hatte nur noch eins im Sinn, nämlich Ethan zu ärgern.
    Anfangs unterhielten wir uns nur über Computer. Wayne fragte mich immer wieder, ob die Festplatte endlich kopiert sei, und ich berichtete ihm von meinen gescheiterten Versuchen. Jason komme immer zu unterschiedlichen
Zeiten von der Arbeit zurück, erklärte ich, zwar nie vor elf, aber ich müsse vorher Ree ins Bett bringen und meine Klassenarbeiten korrigieren. Danach wäre nicht mehr viel Zeit und ständig damit zu rechnen, dass Jason zurückkehrte. Bislang hätte ich alle Kopierversuche aus Angst, erwischt zu werden, vorzeitig abbrechen müssen.
    «Das ist nervtötend», sagte ich.
    Wayne ergriff dann meine Hand und drückte sie, und mir wurde jedes Mal ganz anders.
    Nicht, dass wir die ganze Zeit Händchen gehalten hätten. Wir suchten uns auch keine dunklen Ecken oder gingen zu meinem Wagen, um wie Teenager aneinander herumzufummeln. Mir war stets bewusst, dass wir uns an meinem Arbeitsplatz befanden, dass es überall aufmerksame Augen und Ohren gab und dass meine Tochter in der Nähe war, die mich womöglich im nächsten Moment nötig hatte.
    Also gingen wir immer nur durch die Flure. Wir redeten in aller

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