Ohne jede Spur
bereitwillig auch eine dritte Nachtschicht in Folge auf sich nehmen würde. Dieser Schwung erklärte vielleicht – oder auch nicht –, warum sich D. D. plötzlich so sehr für den ehrenwerten Maxwell Black interessierte und wissen wollte, was es mit dem Tod von Missy Black vor acht Jahren tatsächlich auf sich hatte. Das Sheriff-Büro vor Ort teilte ihr mit, dass keine Ermittlungen geführt worden waren, nannte ihr aber die Telefonnummer des zuständigen Gerichtsmediziners, der ihr womöglich nähere Informationen würde geben können. Das offizielle Ergebnis laute auf Suizid, doch ein kurzes Zögern auf Seiten des Sheriffs, als er dies sagte, machte D. D. umso neugieriger.
Maxwell Black reizte sie mit seinem Südstaatenakzent, seinem Charme und der nüchternen Einschätzung seiner einzigen Tochter als wilde, verlogene und promiske junge Frau. D. D. konnte sich keinen Reim darauf machen, wie es möglich war, dass Sandy die ersten zwei Drittel ihres jungen Lebens an der Seite eines weltgewandten, aufgeschlossenen Vaters verbracht hatte und das letzte Drittel in Ehegemeinschaft mit einem Mann, der das Gegenteil zu sein schien. Der Vater bezichtigte den Schwiegersohn der Pädophilie, während dieser dem Vater unterstellte, für den Missbrauch seines Kindes mitverantwortlich zu sein.
D. D. fragte sich, ob Sandy Jones ihren Mann liebte. Wenn sie ihn als ihren weißen Ritter und tapferen Erretter angesehen hatte, würde dieses Bild nach den Ereignissen in der Nacht auf Donnerstag auf brutale Weise zerschmettert worden sein.Sandra Jones wurde nunmehr seit drei Tagen vermisst.
D. D. glaubte nicht mehr daran, die junge Mutter lebend zu finden.
Jetzt war nur noch zu hoffen, dass zumindest die kleine Tochter gerettet werden konnte.
Ethan Hastings hatte Gewissensbisse, was selten bei ihm der Fall war. Er war gescheiter als die meisten Erwachsenen, die er kannte, und machte sich gern über sie lustig – nach dem Motto: Wenn die so blöd sind, dass sie selbst nichts checken, muss ich’s ihnen auch nicht auf die Nase binden.
Mit dem gestrigen Vorfall in der Schule hatte er sich um sämtliche Privilegien im Computerlabor gebracht, was ihn aber nicht davon abhalten konnte, in der Handtasche seiner Mutter zu kramen. Nun saß er mit deren Smartphone auf dem Boden des Wohnzimmers, las E-Mails und überlegte, ob er die Polizei benachrichtigen sollte.
Ethan machte sich um Mrs Sandra Sorgen, und das schon seit November, als ihm klar geworden war, dass ihr Interesse an Online-Sicherheit weit über das hinausging, was für den Gemeinschaftskundeunterricht in der sechsten Klasse von Bedeutung sein konnte.
Von ihrem Verdacht dem eigenen Ehemann gegenüber hatte sie kein Wort erwähnt, was diesen aber natürlich umso verdächtiger machte. Auch war nie von Internetpornographie die Rede gewesen, doch stellte sich für Ethan ganz selbstverständlich die Frage, was eine hübsche Lehrerin dazu bewog, all ihre Freistunden mit einem Jungen wie ihm zu verbringen.
O ja, sie war durchaus lieb. Sie wusste, dass er sie verehrte, denn es gelang ihm einfach nicht, so etwas zu verheimlichen. Er hatte allerdings sehr wohl verstanden, dass seine Gefühle für sie nicht auf Gegenseitigkeit beruhten. Aber sie brauchte ihn. Sie achtete ihn seiner Fähigkeiten wegen und war dankbar für seine Hilfe. Das reichte ihm.
Mrs Sandra tauschte sich auf Augenhöhe mit ihm aus, was nur wenige Erwachsene taten. Die nahmen ihn entweder nicht ernst oder fürchteten seine Gerissenheit so sehr, dass sie ihm aus dem Weg gingen. Dann wiederum gab es auch solche, die wie seine Eltern auf ihn einredeten, was aber immer so klang, als knirschten sie mit den Zähnen.
Mrs Sandra war anders. Ihren freundlichen Worten und dem niedlichen Akzent, den sie hatte, konnte er stundenlang zuhören. Außerdem duftete sie nach Orangen. Er hatte sie, was natürlich sonst niemand wusste, dazu gebracht, ihm zu verraten, welche Lotion sie benutzte, und sich daraufhin online eine Flasche bestellt, um in ihrer Abwesenheit daran schnuppern zu können. Weil seine Mutter regelmäßig sein Zimmer durchsuchte, hatte er die Flasche im Kleiderschrank seines Vaters versteckt, hinter den Sachen, die er nie trug.
Seine Mutter spionierte ständig hinter ihm her. Es war für sie wohl nicht ganz einfach, einen so cleveren Sohn zu haben. Aber was konnte er dafür, dass er Grips hatte? Damit war er zur Welt gekommen.
Im November, als er dahintergestiegen war, dass sich Mrs
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