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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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nie für einen Fremden im Stich gelassen.»
    «Im Stich gelassen?»
    «Sie hat die Sicherheit ihres Zuhauses aufgegeben», präzisierte Maxwell. «Bedenken Sie doch. Da taucht ein fast dreißigjähriger Mann aus dem Nichts auf, bändelt mit meiner Tochter an und zieht mit ihr fort, ohne um mein Einverständnis zu werben.»
    «Es stört Sie, dass er nicht in aller Form um die Hand Ihrer Tochter angehalten hat?»
    «In unseren Kreisen gehört sich so etwas, Detective. Das ist nicht bloß eine Formsache, sondern ein Gebot des Anstandes.»
    «Sind Sie Jason jemals begegnet?»
    «Einmal. Ich war noch wach, als meine Tochter eines Nachts nach Hause kam. Ich hörte einen Wagen in die Einfahrt einbiegen, ging nach draußen und sah, wie dieser Mann ausstieg und sie zur Tür führte.»
    «Finde ich durchaus anständig.»
    «Er hielt sie beim Arm gepackt, Detective. Über dem Ellbogen. Für mich sah es so aus, als hätte er Besitz von ihr ergriffen.»
    «Was haben Sie gesagt?»
    «Ich habe ihn gefragt, ob ihm bewusst sei, dass meine Tochter erst achtzehn ist.»
    «War es ihm bewusst?»
    «Er sagte – ich zitiere wortwörtlich: ‹Guten Abend, Sir.›Auf meine Frage hat er nicht geantwortet, nicht einmal irgendwie zu verstehen gegeben, dass er sie überhaupt gehört hat. Er ist einfach an mir vorbeigegangen, brachte meine Tochter zur Tür und kehrte zu seinem Wagen zurück. Dann nickte er mir kurz zu, sagte ‹Gute Nacht, Sir›, und das war’s. Dieses arrogante Miststück tat so, als wäre es sein gutes Recht, ein Highschool-Mädchen nächtens durch die Gegend zu kutschieren.» Maxwell rutschte auf seinem Stuhl hin und her. «Und ich sage Ihnen noch etwas, Detective. Ich habe zwar nur ein paar Worte von ihm gehört, doch sein Akzent war unverkennbar. Vielleicht gibt er sich inzwischen als Yankee, tatsächlich aber stammt er aus dem Süden, hundertprozentig. Wenn Sie ihm was Gutes tun wollen, laden Sie ihn zu einem Teller Maisgrütze ein. Jede Wette, dass er einen ordentlichen Stich Butter unterrührt.»
    Jenseits der Glasscheibe merkte D.   D. auf.
Jason Johnson, wahrscheinlich geboren in Georgia oder einem Nachbarstaat.
Interessant. Auch ihr war schon aufgefallen, dass Jason die Neigung hatte, die Vokale zu dehnen, was er allerdings zu kaschieren versuchte.
    «Zwei Wochen später war Sandy verschwunden», fuhr der Richter fort. «Sie hatte ihr Bett ordentlich gemacht und den Kleiderschrank zur Hälfte leer geräumt. Sie war auf und davon.»
    «Ohne eine Mitteilung zu hinterlassen?»
    «Nichts dergleichen», bestätigte der Richter mit Emphase, mied aber Millers Blick, als er dies sagte. Es war offenbar gelogen.
    «Haben Sie eine Erklärung dafür?», setzte Maxwelleilig nach. «Was ist von einem Mann zu halten, der eine junge Frau abschleppt und unter falschem Namen ein neues Leben mit ihr beginnt? Was steckt dahinter?»
    Miller zuckte mit den Achseln. «Sagen Sie’s mir. Warum wurde aus Jason Johnson Jason Jones?»
    «Weil er meine Tochter von mir isolieren wollte», antwortete Maxwell spontan. «Um sie von ihrem Zuhause, ihrer Heimatstadt und ihrer Familie abzuschneiden und sicherzustellen, dass Sandy niemanden zu Hilfe rufen konnte, wenn er ihr sein wahres Gesicht zeigte.»
    «Und wie sieht Ihrer Meinung nach sein wahres Gesicht aus?»
    «Weshalb sollte ein Mann eine junge, schwangere Frau unter seine Fittiche nehmen, wie Sie es so eloquent formuliert haben? Für mich gibt es nur eine plausible Antwort. Er wollte Zugriff auf ein Kind haben, dessen Mutter zu jung, zu schwach und verstört ist, dieses Kind vor ihm zu schützen. Ich bin seit über zwanzig Jahren Richter, also lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass sich diese traurige Geschichte ständig wiederholt. Jason Johnson ist ein Kinderschänder. Er hat sich meine Tochter unter den Nagel gerissen und die kleine Clarissa herangezogen in der Aussicht auf das, was jetzt als Nächstes bevorsteht. Deshalb musste Sandy ein für alle Mal verschwinden.»
    Verdammt
, dachte D.   D.   Sie traute ihren Ohren nicht und rückte näher an die Scheibe heran.
    «Sie unterstellen Jason Jones, Päderast zu sein?», fragte Miller nach.
    «Allerdings. Sie kennen das Profil genauso gut wieich, Detective: Da ist eine junge, erschöpfte Frau, die zur Depression, zu sexuellen Umtrieben, Alkohol und Drogenmissbrauch neigt. Sie wird von einem älteren, dominierenden Mann von der Umwelt abgeschnitten und langsam, aber sicher in immer größere Abhängigkeit gebracht. Jason und die

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