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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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kleine Clarissa sind jeden Nachmittag allein zu Haus. Kommt Ihnen da nicht auch das kalte Grausen?»
    Miller antwortete nicht, wirkte aber nachdenklich. Auf der anderen Seite der Scheibe gingen D.   D. gleich ein halbes Dutzend Lichter auf. Der Richter traf mit dem von ihm beschriebenen Profil voll ins Schwarze. Es erklärte Jasons Pseudonyme, seine Zurückgezogenheit und die offensichtlich panische Reaktion auf Sandys Versuche, ihm über den Familiencomputer auf die Schliche zu kommen.
    D.   D. beschloss, Jasons Foto an das National Center for Missing & Exploited Children zu faxen. Dort würde es mit den Fotos abgeglichen werden, die aus dem Internet und aus anderen Fällen von Kindesmissbrauch in dessen Datenbank gesammelt wurden. Wenn ein Treffer dabei herauskäme, könnte Jason verhaftet und Clarissa Jones neu vernommen werden. Endlich sah D.   D. die Ermittlungen in Schwung kommen.
    Gleichzeitig aber drängte sich ihr ein ungutes Gefühl auf. Sie erinnerte sich daran, wie Ree nach ihrer Vernehmung ihrem Vater in die Arme gestürzt war, an dessen liebevolle, überaus sanfte Miene. D.   D. hatte, als sie dies sah, nicht den geringsten Zweifel an seiner Vaterliebe gehabt. Oder war es, wie sie sich nun fragte, Erleichterungund Dankbarkeit dafür gewesen, dass Ree ihr gemeinsames Geheimnis nicht preisgegeben hatte?
    Manchmal war dieser Job ziemlich mies, manchmal mehr als das.
    Miller bohrte nach: «Sie glauben also, Ihre Tochter ist tot.»
    Der Richter bedachte ihn mit mitleidigem Blick. «Kennen Sie vergleichbare Fälle, die anders ausgegangen wären? Ich bitte Sie. Jason Jones hat meine Tochter umgebracht, daran kann kein Zweifel bestehen. Und jetzt verlange ich Gerechtigkeit.»
    «Haben Sie deshalb eine einstweilige Verfügung erwirkt und durchgesetzt, Ihre Enkelin sehen zu dürfen?»
    «Natürlich. Außerdem stelle ich wie Sie, Detective, Ermittlungen an, und was ich in Erfahrung bringe, ergibt kein schönes Bild. Meine Enkelin hat keine Freunde oder Spielkameraden. Ihr werden andere Kontakte vorenthalten. Und nun hat dieser Mann, der sich ihr Vater nennt, ihre Mutter umgebracht. Wenn jemals eine Enkelin ihren Großvater nötig hatte, dann jetzt.»
    «Werden Sie auch das Sorgerecht für sie beantragen?» «Ich werde darum kämpfen.»
    «Jason Jones sagt aus, dass Sandy strikt dagegen sei.»
    «Bitte, Detective   … Jason Jones ist ein Lügner. Siehe Jason Johnson. Immerhin wissen Sie jetzt, mit wem Sie es zu tun haben.»
    «Haben Sie sich einen Wagen ausgeliehen?»
    «Wie bitte?»
    «Am Flughafen. Haben Sie sich dort einen Leihwagen genommen?»
    «Ich, ähm, gemietet, ja, natürlich.»
    «Ich bräuchte den Namen des Vermieters. Wann haben Sie das Auto abgeholt, und wann bringen Sie es zurück?»
    «Was soll das Ganze? Wer steht hier eigentlich unter Verdacht, ich oder Jason Johnson?»
    «Jason Jones alias Jason Johnson. Ich hab’s kapiert. Dann frage ich noch einmal: Warum haben Sie bislang nichts unternommen, um Ihre Tochter zu finden?»
    «Und ich antworte noch einmal: Wir werden sie erst dann finden, wenn ihr Ehemann überführt ist.»
    «Schlimm, Frau und Tochter in so jungen Jahren zu verlieren.»
    «Anstatt mich selbst zu bemitleiden, konzentriere ich mich voll und ganz auf meine Enkelin. Sie ist jetzt alles, was für mich zählt. Darauf kommt es an.»
    «Und darauf, Jason Jones aus dem Weg zu räumen.»
    «Er hat mir die Tochter weggenommen.»
    «Hat es Sie überrascht zu erfahren, dass es Ihrer Tochter hier in Boston gutgeht oder zumindest gutgegangen ist? Dass sie im Ruf steht, eine treusorgende Mutter, eine hochgeachtete Lehrerin und eine gute Nachbarin zu sein? Von Depression, Alkoholmissbrauch oder Verantwortungslosigkeit war nirgends die Rede. Im Gegenteil, alles spricht dafür, dass Ihre Tochter nach Clarissas Geburt endlich Fuß gefasst hat.»
    Maxwell lächelte matt. «Detective, Sie kennen meine Tochter nicht.»

31.   Kapitel
    Wer erinnerte sich nicht an die Anfänge einer großen Liebe? An das Prickeln am ganzen Körper, sooft der geliebte Andere in der Nähe war? Oder an die Scheu, ihm in die Augen zu blicken?
    Der Donnerstagabend entwickelte sich für mich zum Höhepunkt der ganzen Woche, dem ein immer intensiver werdender Briefwechsel per E-Mail vorausging. Es war nichts Weltbewegendes, nichts Anrüchiges. Ich berichtete ihm von Ree, wie tüchtig sie schon mit dem Buttermesser umgehen konnte und dass sie inzwischen nur noch das essen wollte, was sich in zwei Hälften zerschneiden

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