Ohne jede Spur
wollte: Tut mir leid, schrecklich das alles, aber Kopf hoch, Junge, es wird schon wieder.
Nichts als dumme Sprüche. Colleen hatte ihm im Stillen recht geben müssen und ihm einen Gefallen damit erwiesen, dass sie für den Rest der Fahrt den Mund gehalten hatte.
Inzwischen waren auch die Handtücher, Bettlaken und sogar ein paar Polsterschoner zusammengefaltet. Alles, was in seiner Wohnung aus Stoff bestand, hatte er mit Clorox gewaschen, einem Mittel, was gründlich zu Werke ging und dennoch die Farben schonte.
Klar, die Cops würden sich mächtig ärgern und ihn dafür hassen. Egal.
Er hatte jetzt nur eins im Sinn: nach Hause zurückzukehren und seine Siebensachen zu packen. Er würde all seine weltliche Habe in vier schwarze Müllsäcke stopfen und das Weite suchen. Vorhang zu. Er hatte die Faxen dicke. Scheiß auf Colleen. Scheiß auf die Cops. Sollten die sich doch einen anderen Sittenstrolch suchen.
Er hatte sich an seine Auflagen gehalten. Und was war der Dank dafür? Die Polizei drehte ihn durch die Mangel, seine Ex-Kollegen lagen auf der Lauer, und der Nachbar Jason Jones machte ihm am meisten Angst. Und dann diese Reporter … Aidan wollte nichts wie weg. Adieu, Wiedersehen, bye-bye.
Was allerdings nicht erklärte, warum er hier immer noch in diesem schäbigen Waschsalon herumhing, das grüne Gummiband schnacken ließ und einen blauenKuli in der Hand hielt. Seit drei Minuten starrte er auf ein weißes Blatt Papier. Bis er schließlich zu schreiben anfing:
Liebe Rachel,
ich bin ein Schwein. Es ist alles meine Schuld. Du müsstest mich hassen.
Er legte eine Denkpause ein, kaute auf dem Kuli herum, ließ das Gummi schnacken.
Vielen Dank für die Briefe. Vielleicht hast du dich über sie geärgert. Vielleicht wolltest du sie einfach nicht mehr sehen. Wär dir nicht zu verdenken.
Er strich die Worte durch. Versuchte es von neuem. Strich wieder durch.
Ich liebe dich.
Ich habe dich geliebt. Das war falsch. Tut mir leid.
Ich werde dir nicht länger lästig sein.
Es sei denn
, dachte er. Doch das schrieb er nicht. Er verkniff es sich. Wenn sie ihn sehen wollte, hätte sie ihn längst aufgesucht. Lass dir das eine Lehre sein, Aidan, alter Junge. Sie liebt dich nicht und hat dich nie geliebt. Du bist umsonst in den Bau gegangen, du dummer, erbärmlicher, lächerlicher Trottel …
Er setzte den Stift wieder an.
Bitte, tu dir nicht weh.
Und dann, wie als Nachtrag:
Und lass dir auch nicht von Jerry wehtun. Du verdienst Besseres. Wirklich, viel Besseres.
Verzeih, dass ich alles verbockt habe. Ich wünsch dir ein schönes Leben.
Aidan
Er legte den Kuli weg. Las noch einmal durch, was er geschrieben hatte, und überlegte, ob er den Brief zerreißen und wieder ein Feuerchen machen sollte. Er entschied sich dagegen. Den Brief würde er zwar nicht abschicken, aber der Gruppe konnte er jetzt immerhin vorlegen, was verlangt war. Eine Lektion in Sachen Mitgefühl und Reue. Und das war es auch wohl, was er empfand, denn er spürte einen heftigen Druck auf der Brust. Es fiel ihm schwer, tief durchzuatmen, und er wollte nicht länger in diesem schäbigen Waschsalon auf dem Boden hocken. Er wollte zurück in seine Wohnung und sich unter der Bettdecke verstecken, irgendeinen Ort aufsuchen, an dem es dunkel genug war, um sich darin zu verlieren, um nicht mehr an jenen Winter denken zu müssen, daran, wie schön es gewesen war, ihre Haut auf seiner Haut zu spüren, und auch daran, dass er ihrer beider Leben verpfuscht hatte.
Himmel, hilf, er liebte sie immer noch. Ja, das tat er. Sie, seine Stiefschwester, war das einzig Gute, das er, der mieseste Drecksack auf der ganzen Welt, je gehabt hatte, und vielleicht hätte er es verdient, wenn ihm die Jungs aus der Werkstatt die Scheiße aus dem Leib prügelten. Vielleicht wäre das die einzige Lösung für ein Miststück wie ihn. Er war pervers. Nicht besser als Wendell, der durchgeknallte Blitzer. Er gehörte ausgelöscht.
Doch er wollte nicht sterben. Er wollte die Nacht irgendwie überstehen und vielleicht auch den nächsten Tag.
Also packte er seine Wäsche zusammen und winkte sich ein Taxi herbei.
«Nach Hause, James», erklärte er dem Fahrer und nannte ihm seine Adresse.
Auf der Rückbank zerriss er den Brief in winzige Fetzen, warf sie durchs Fenster nach draußen und sah sie im Fahrtwind davonflattern.
Es war schon kurz nach neun, als Jason seine Tochter endlich zu Bett gebracht hatte. Es war nicht einfach
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