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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Schrei ausstieß.
    Die Passanten lächelten im Vorübergehen und fanden
offenbar Gefallen an der netten kleinen Familie und dem fröhlichen Kind.
    Wir folgten der roten Spur, die Paul Reveres Ritt in Richtung auf das Old State House markierte, bogen dann nach links ab und gingen am Park vorbei auf das Theater zu. Ich sah das gläserne Portal des Four Seasons, wo ich meine Wellness-Nächte verbrachte, und musste den Blick abwenden. Mir war, als kehrte ich an einen Tatort zurück.
    Zum Glück schlug Jason eine andere Richtung ein, und bald erreichten wir ein hübsches Bistro, in dem es nach würzigem Olivenöl und Rotwein duftete. Ein Oberkellner in schwarzem Smoking führte uns an einen Tisch, wo uns ein junger Mann, ebenfalls in Schwarz, fragte, ob wir stilles oder mit Kohlensäure versetztes Mineralwasser wünschten. Ich wollte gerade sagen: Aus der Leitung, bitte, aber Jason kam mir zuvor, bestellte eine Flasche Perrier und verlangte nach der Weinkarte.
    Ich musterte den Mann, mit dem ich nunmehr fünf Jahre verheiratet war, und es verschlug mir die Sprache. Ree rutschte ungeduldig auf ihrem Kindersitz herum, entdeckte dann den Brotkorb und zog unter der Leinenserviette einen langen dünnen Grissino hervor. Sie zerbrach die Stange in zwei Hälften und war von dem Knacklaut so angetan, dass sie munter weiterbröselte.
    «Leg dir bitte deine Serviette auf den Schoß», sagte Jason. «Schau, ich mach’s dir vor.»
    Ree fand sein Beispiel interessant genug, um es ihm gleichzutun. Dann ließ sie sich von Jason auf ihrem Stuhl näher an den Tisch heranrücken und die einzelnen Besteckteile erklären.
    Der Kellner kam und sprenkelte Olivenöl auf unsere Brotteller, was Ree von unseren Ausflügen nach North End bereits kannte. Sofort machte sie sich daran, die kleine Pfütze auf ihrem Teller mit einem Stück Brot aufzuwischen. Jason wandte sich an den Kellner und bestellte wie selbstverständlich eine Flasche Dom Pérignon.
    «Aber du trinkst doch nicht», protestierte ich, als sich der Kellner mit einem höflichen Kopfnicken verzogen hatte.
    «Hättest du nicht gern ein Glas Champagner, Sandra?»
    «Vielleicht.»
    «Dann möchte ich mit dir anstoßen.»
    «Warum?»
    Er lächelte bloß und widmete sich wieder seiner Speisekarte. Auch ich blickte schließlich in meine, obwohl mir der Kopf schwirrte. Vielleicht wollte er mich betrunken machen und dann, wenn Ree gerade nicht hinsah, ins Hafenbecken stoßen. Also auf dem Rückweg ins Hotel nur ja nicht am Kairand entlanglaufen, dachte ich, einem hysterischen Anfall nahe.
    Ree entschied sich für Capellini mit Butter und Käse und bestellte zum Stolz ihrer Eltern mit klarer Stimme und einem artigen Bitte und Danke. Ich dagegen stammelte wie ein Idiot, schaffte es aber irgendwie, mich mit meinem Wunsch   – Jakobsmuscheln auf Pilzrisotto – verständlich zu machen.
    Jason bestellte das Kalbfleischgericht.
    Der Champagner kam. Der Kellner zog eine diskrete Show ab und entfernte den Korken fast lautlos. Dann
füllte er zwei hauchdünne Flöten, ohne dass auch nur ein einziges Schaumbläschen über den Rand gerollt wäre. Ree erklärte, so etwas Schönes noch nie gesehen zu haben, und wollte probieren.
    Damit müsse sie bis zur Volljährigkeit warten, entgegnete Jason.
    Sie zog einen Flunsch und beschäftigte sich wieder mit dem Brot.
    Jason hob sein Glas. Ich tat es ihm gleich.
    «Auf uns», sagte er. «Auf eine glückliche Zukunft.»
    Ich nickte und trank. Die Bläschen prickelten mir auf der Nase, und mir war zum Heulen zumute.
     
    Wie gut kennen Sie Ihren Ehepartner? Sie haben sich Treue geschworen, Ringe getauscht und eine Familie gegründet. Sie schlafen Nacht für Nacht Seite an Seite und sehen den anderen so häufig nackt, dass Sie sich nichts dabei denken. Vielleicht haben Sie Sex miteinander. Vielleicht krallt sich Ihr Mann mit seinen Fingern an Ihrem Hintern fest und fragt mit Grummelstimme: «Wie findest du das? Gefällt’s dir?» Doch ebendieser Mann steigt sechs Stunden später aus dem Bett, bindet sich die gerüschte Lieblingsschürze Ihrer Tochter um die Hüften, setzt sich womöglich noch das Schmetterlingshäubchen der Vierjährigen auf den Kopf und macht Frühstück.
    Sie freuen sich über einen Mann, der ein feuriger Liebhaber und gleichzeitig ein rührender Vater ist. Aber haben Sie sich schon einmal gefragt, ob es nicht womöglich noch andere Seiten an ihm gibt, die nur darauf warten, ausgelebt zu werden?
    Ree kicherte, Jason lächelte, und ich nippte an

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