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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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gewesen. Das immer größer werdende Mediencamp hatte sie den ganzen Tag über ans Haus gefesselt, und Ree war in Ermangelung frischer Luft und Bewegung überdreht und quengelig gewesen. Als dann nach dem Abendessen die ersten Scheinwerfer eingeschaltet wurden, erstrahlte das ganze Haus so hell, dass man es aus dem Weltraum hätte sehen können.
    Ree hatte sich über das grelle Licht und den Lärm auf der Straße beklagt und ihn gebeten, die Reporter zu vertreiben, und als das nichts nützte, hatte sie mit dem Fuß aufgestampft und von ihm verlangt, ihre Mommy zurückzuholen, und zwar
sofort
.
    Er hatte angeboten, mit ihr zu malen, Origami-Figürchen zu falten oder Dame zu spielen.
    Dass sie wütend auf ihn war und einen Veitstanz aufführte, hatte er ihr nicht krummgenommen. Auch er wollte, dass dieser nervtötende Presserummel aufhörteund dass sie ihr altes beschauliches Leben wieder aufnehmen konnten.
    Er hatte ihr ein Märchen vorgelesen, eine Geschichte von hundert Seiten, von Anfang bis zum Ende, sodass ihm schließlich der Hals wehtat und die Augen zuzufallen drohten.
    Als seine Tochter endlich eingeschlafen war, setzte er sich ins abgedunkelte Wohnzimmer und versuchte nachzudenken. Sandra blieb verschwunden, Maxwell hatte sein Besuchsrecht erzwungen. Und er, Jason, stand immer noch im Verdacht, sich seiner schwangeren Frau entledigt zu haben.
    Er hatte gehofft, Sandra wäre mit einem Liebhaber durchgebrannt, obwohl er selbst nicht daran glauben mochte. Doch diese Vorstellung war ihm lieber als alle anderen, denn sie tröstete ihn mit der Wahrscheinlichkeit, dass Sandy wohlauf war. Und vielleicht würde sie sich eines Tages besinnen und nach Hause zurückkehren. Er würde sie wieder aufnehmen, Ree zuliebe und im eigenen Interesse. Er wusste, dass er kein perfekter Ehemann war und dass er während des Urlaubs einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Wenn sie ihn dafür bestrafen wollte, durfte er sich nicht beklagen.
    Aber jetzt, schon fast drei Tage nach ihrem Verschwinden, war er gezwungen, auch andere Möglichkeiten ins Auge zu fassen. Dass seine Frau nicht durchgebrannt, sondern einem Verbrechen zum Opfer gefallen war, hier, im eigenen Haus und im Beisein ihrer Tochter, die wie durch ein Wunder überlebt hatte. Vielleicht war Ethan Hastings, frustriert über seine unerwiderte Liebe, durchgedreht.Vielleicht hatte Maxwell seine Tochter nach langer Suche endlich aufgespürt und sie entführt, um sein Enkelkind für sich zu gewinnen. Oder vielleicht gab es einen anderen Liebhaber, womöglich diesen mysteriösen Computerexperten, der sich nicht länger von Sandra hatte hinhalten lassen wollen.
    Sie war schwanger. Von ihm? Von einem anderen? Lag darin die Ursache für alles, was folgte? Hatte Sandra mit Ethan Hastings’ Hilfe herausgefunden, wer er war? Hatte sie sich klarmachen müssen, dass sie das Kind eines Monsters in sich trug? Er konnte es ihr nicht verdenken. Auch er hätte vor der Aussicht, ein eigenes Kind in die Welt zu setzen, zurückschrecken sollen.
    Aber dem war nicht so gewesen. Er hatte es gewollt   … sich gewünscht.
    Wäre es je dazu gekommen, dass Sandy ihm eröffnet hätte, schwanger zu sein – er wäre überwältigt, gerührt, ergriffen und auf ewig dankbar gewesen.
    Aber dieser Moment hatte sich nicht eingestellt. Seine Frau war verschwunden und er zurückgeblieben mit der quälenden Frage, was gewesen wäre, wenn.
    Zudem drohte ihm nun Gefängnishaft.
    Er musste untertauchen, mit seiner Tochter verschwinden. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Früher oder später würde Sergeant Warren mit einem Haftbefehl und einem Vertreter des Familiengerichts vor der Haustür stehen. Er ginge in den Bau, und Ree käme in eine Pflegefamilie.
    Dazu durfte es nicht kommen. Davor musste er sich und seine Tochter schützen.
    Er ging nach oben.
    Im Flur neben dem Elternschlafzimmer klappte er die Falltür zum Dachboden auf und zog die Leiter herunter. Mit eingeschalteter Taschenlampe stieg er hinauf ins pechschwarze Dunkel.
    Der Dachboden war nur knapp einen Meter hoch und diente als Rumpelkammer. Er kroch über die Dielenbretter, schob Kartons beiseite, in denen Weihnachtsschmuck lagerte. In der äußersten Ecke angelangt, entfernte er neben dem zweiten Dachsparren von links das Dämmmaterial und griff nach der flachen Kassette.
    Er zog sie hervor und hatte den Eindruck, dass sie sich leichter anfühlte als in seiner Erinnerung. Er legte die Taschenlampe auf den Boden und klappte den Deckel

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