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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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meinem Champagner, ließ mir den seltsamen Umstand durch den Kopf gehen, dass mein Mann weder Familie noch Freunde hatte, und nippte weiter. Ich erinnerte mich daran, wie bereitwillig ich auf seinen Vorschlag einging, nach Boston zu ziehen und einen neuen Namen anzunehmen. Es sei zu meinem Schutz, hatte er gesagt. Ich ließ mir neu einschenken und trank. Ich dachte an die Nächte, in denen er vorm Computer kauerte, an die Websites, die er besuchte, was er anschließend mit großem Aufwand vertuschte. Und ich dachte an das Foto, das ich sechs Monate zuvor entdeckt hatte, das Schwarzweißporträt eines verängstigten Jungen mit einer behaarten schwarzen Spinne deutlich sichtbar auf der nackten Brust.
    Und ich trank noch mehr Champagner.
    Mein Mann hatte vor, mich zu töten.
    Davon war ich in diesem Augenblick so überzeugt, dass ich mich wunderte, warum ich ihn nicht schon früher durchschaut hatte. Jason war ein Monster. Vielleicht ein Kinderschänder, womöglich Schlimmeres. Ein Ungeheuer, das keinen Sinn für seine schöne Frau hatte, sich aber an Bildern von kleinen Kindern in Todesangst ergötzte.
    Ich hätte auf Wayne hören sollen. Ich hätte ihm zumindest sagen sollen, wohin die Reise geht, war aber nicht einmal auf den Gedanken gekommen, selbst danach zu fragen. Nein, ich hatte mich vertrauensvoll der Führung meines Mannes überlassen, ausgerechnet ich, die schon in jungen Jahren bitter hatte lernen müssen, dass niemandem zu trauen war.
    Ich trank, schob das Muschelfleisch auf dem Teller
herum und fragte mich, was er wohl Ree sagen würde, wenn alles vorbei war. Liebling, es hat einen Unfall gegeben, Mommy wird nicht mehr nach Hause zurückkehren. Tut mir leid, Herzchen.
    Ich schenkte Jason ein. Er trank fast nie Alkohol. Vielleicht konnte ich ihn betrunken machen, so betrunken, dass er bei dem Versuch, mich ins Hafenbecken zu stoßen, selbst ins Wasser stürzte. Wäre das nicht ausgleichende Gerechtigkeit?
    Jason hatte aufgegessen. Ree ebenfalls. Der Kellner kam, um unsere Teller abzuräumen. Er schaute mich mit besorgter Miene an.
    «War etwas nicht zu Ihrer Zufriedenheit? Darf ich Ihnen etwas anderes bringen?»
    Ich wimmelte ihn ab mit der Bemerkung, leider zu viel zu Mittag gegessen zu haben. Jason beobachtete mich, verlor aber kein Wort über meine Lüge. Ein paar dunkle Strähnen waren ihm in die Stirn gefallen. Er sah verwegen aus mit seinem offenen Kragen, den zerzausten dichten Haaren und unergründlichen Augen. Ich hatte längst bemerkt, dass er von manchen der weiblichen Gäste angehimmelt wurde. Vielleicht bewunderte man uns auch als Paar. Sieh nur, was für eine nette Familie, und das herzige kleine Mädchen, wie artig es ist.
    Gaben wir nicht ein hübsches Bild ab? Das einer perfekten kleinen Familie? Was spielte es da für eine Rolle, dass es morgen damit schon vorbei sein konnte?
    Ree wollte Eis zum Nachtisch. Der Kellner führte sie zur Eisvitrine, um sie aus den verschiedenen Angeboten auswählen zu lassen. Ich goss den Rest der Flasche in Jasons
Glas. Es war erst sein zweites, was ich reichlich unfair fand.
    «Jetzt will ich meinen Trinkspruch loswerden», erklärte ich und spürte, dass mir die Zunge schwer geworden war.
    Er nickte und hob sein Glas.
    «Auf uns», sagte ich. «In guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet.»
    Ich kippte den Inhalt meines Glases mit einem Schluck hinunter und sah zu, wie mein Mann an seinem nur nippte.
    «Erzähl, was hast du dir sonst noch für unseren Familienurlaub vorgenommen?», wollte ich wissen.
    «Wir könnten ins Aquarium gehen, eine kleine Stadtrundfahrt machen und über die Newbury Street flanieren. Aber vielleicht möchtest du lieber ins Museum. Oder wie wär’s mit einer Massage?»
    «Warum tust du das?»
    «Was meinst du?»
    «Wozu das alles?» Ich winkte mit der Champagnerflöte im Kreis und verspritzte die letzten Tropfen. «Das extravagante Hotel, dieses vornehme Restaurant hier. Familienurlaub. Zum allerersten Mal.»
    Er ließ sich mit der Antwort Zeit und drehte sein Glas in den Händen.
    «Ja, leider. Wir hätten uns so etwas schon früher und häufiger gönnen sollen», sagte er schließlich. «Statt immer nur zu rackern und keine Zeit füreinander zu haben.»
    Ree kehrte an der Hand des Kellners zurück und präsentierte mit der anderen Hand eine riesige Eisbombe. Anscheinend hatte sie sich nicht für eine Sorte entscheiden
können und darum gleich drei ausgewählt. Der Kellner zwinkerte uns zu,

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