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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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gekommen sind, Mr   Jones?»
    «Ja.»
    «Ist Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Im Eingangsbereich, in der Diele, in der Küche?»
    «Nein, nichts.»
    «Was haben Sie unternommen, als Sie feststellten, dass Ihre Frau nicht zu Hause ist?»
    «Ich habe sie auf ihrem Handy angerufen und dabei bemerkt, dass es in ihrer Handtasche steckt, die auf dem Küchentresen lag.»
    «Und was weiter?»
    «Ich bin nach draußen gegangen, um zu sehen, ob sie vielleicht im Hof ist, die Sterne betrachtet oder was weiß ich.»
    «Und dann?»
    «Habe ich einen Blick in ihr Auto geworfen.»
    «Und dann?»
    «Dann   … was?»
    «Was Sie gerade beschrieben haben, dauert allenfalls drei Minuten. Ihr Anruf bei der Polizei erfolgte jedoch rund drei Stunden später. Wen haben Sie sonst noch angerufen, Mr   Jones? Was haben Sie in der Zwischenzeit getan?»
    «Ich habe niemanden angerufen und nichts getan.»
    «Drei Stunden lang nichts?»
    «Ich habe auf dem Sofa gesessen und darauf gewartet, dass sich alles wieder in Wohlgefallen auflöst. Als es dazu nicht kam, habe ich die Polizei verständigt.»
    «Ich glaube Ihnen nicht», sagte D.   D. geradeheraus.
    «Mag sein, aber auch das könnte meine Unschuld beweisen. Hätte sich jemand, der ein Verbrechen begeht, nicht ein besseres Alibi zugelegt?»
    Sie seufzte. «Was, glauben Sie, ist Ihrer Frau widerfahren, Mr   Jones?»
    Er ließ sich mit der Antwort Zeit.
    Schließlich sagte er: «Nun ja, nicht weit von hier wohnt eine Person, die als Sexualstraftäter vorbestraft ist.»

7.   Kapitel
    Am 22.   Oktober 1989 wurde ein Junge namens Jacob Wetterling von einem maskierten Mann mit vorgehaltener Pistole entführt und danach nie mehr gesehen. Zu diesem Zeitpunkt bin ich erst drei Jahre alt gewesen, also wird man mir wohl glauben, wenn ich sage, dass ich nicht der Täter war. Trotzdem hat dieser Entführungsfall auch nach fast zwanzig Jahren unschöne Konsequenzen für mich. Denn Jacobs Eltern gründeten das Jacob-Wetterling-Institut, dem es zu verdanken ist, dass 1994 ein Gesetz – der sogenannte Jacob-Wetterling-Act – in Kraft trat, wonach die Polizei verpflichtet ist, Sexualstraftäter zu registrieren. Jacobs Eltern sorgten also gewissermaßen für die erste Datenbank für Sittlichkeitsverbrecher.
    Ich weiß, was Sie jetzt denken. Dass ich ein Tier bin, nicht wahr? Das denken doch alle. Sexualstraftäter sind Monster. Solchen Individuen wie uns müsste nicht nur jeglicher Kontakt zu Kindern verboten werden, man sollte uns darüber hinaus ächten, verbannen und zwingen, unter erbärmlichsten Bedingungen dahinzuvegetieren, am besten unter irgendeiner Brücke. Sehen Sie doch nur,was dieser Megan Kanka passiert ist, aus ihrem Schlafzimmer gekidnappt von einem Nachbarn. Oder Jessica Lunsford, missbraucht von einem Kerl, der mit seiner Schwester in einem Wohnwagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite hauste.
    Soll ich Ihnen was sagen? Laut meiner Bewährungshelferin gibt es in den Vereinigten Staaten fast sechshunderttausend registrierte Sexualstraftäter. Viele davon haben ganz schlimme Neigungen, und wenn sie denen nachgeben, werden wir alle dafür bestraft, auch so einer wie ich.
    Ich stehe morgens auf, gehe zur Arbeit, erscheine zu meinen Therapiesitzungen und versuche, sauber zu bleiben. Ich bin eine wandelnde Erfolgsgeschichte. Trotzdem. Es ist jetzt fünf Uhr am Nachmittag, Feierabend. Ich packe mein Werkzeug zusammen und warte darauf, dass die Polizei kommt, um mich festzunehmen.
    Gegen Viertel nach fünf sind sie immer noch nicht vorgefahren, also mache ich mich auf den Weg nach Hause. Ich lasse den Tag Revue passieren und versuche, meine Angst in den Griff zu kriegen. Nachdem dieser Cop heute Morgen bei mir angeklingelt hat und wieder abgezogen ist, bin ich zur Arbeit gegangen, vernünftigerweise, wie ich finde. Früher oder später wird mich die Polizei am Wickel haben, und dann muss ich haarklein erklären, wie und wo ich die Stunden seit Mrs   Jones’ Verschwinden verbracht habe. Wegen meines Gesprächs mit Mr   Jones habe ich meine Mittagspause um eine halbe Stunde überzogen. Das wird auffallen. Aber daran ist jetzt nichts zu ändern. Ich
musste
mit ihm sprechen.Dass sie ihn und nicht mich festnehmen, ist meine einzige Hoffnung.
    Jetzt, da ich mich meiner Wohnung nähere und immer noch keine Männer in Blau oder schusssicheren Westen sehe – denn ich rechne auch mit einem Überfallkommando   –, fällt mir ein, dass heute Donnerstag ist. Wenn ich mich nicht

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