Ohne jede Spur
kurzem Zögern radiere ich «und geil bis zum Anschlag» aus und schreibe stattdessen «und auf dem Gipfel meiner Manneskraft». Mrs Brenda Jane, unsere Gruppenleiterin, legt Wert auf gepflegte Ausdrucksweise. In unserer Gruppe gibt es keine Schwänze, Pimmel oder Prengel, sondern ausschließlich Penisse. Basta.
Auf Frage sechs soll ich mit der Beschreibung meiner Gefühle vor, während und nach der Selbstbefriedigung antworten. Die meisten Jungs behaupten, sauer oder angenervt zu sein. Der Druck wird immer stärker, bis er nicht mehr auszuhalten ist. Manche schreiben, dass sie anschließend heulen, sich schrecklich einsam fühlen und dafür schämen, an ihrem Ding herumgemacht zu haben.
Ich habe nichts dergleichen zu beschreiben. Ich bin Kfz-Mechaniker, und genauso befriedige ich mich, nämlich ganz ruhig, sachlich und darauf bedacht, dass alles ordentlich funktioniert.
Frage sieben:
Hatten Sie in dieser Woche partnerschaftlichen Sex? Berichten Sie davon.
Ich habe nichts zu berichten.
Frage acht:
Haben Sie in dieser Woche eine altersangemessene Beziehung einzugehen versucht?
Ich habe nichts zu berichten.
Und so geht es in einem fort weiter. Noch ein Wochenbericht, noch eine Gruppensitzung.
Wollen Sie wissen, was wir in diesen Sitzungen wirklich leisten? Wir rationalisieren auf Teufel komm raus. Ein Vater, der mit seiner Tochter geschlafen hat, meint besser zu sein als der Priester, der fünfzehn Messdiener vernascht. Der Grapscher glaubt, moralisch besser dazustehen als der, der seinen Schwanz eintaucht. Der Lustmolch, der seine Opfer mit Bonbons, Aufmerksamkeit oder irgendwelchen Geschenken ködert, wähnt sich jenen Monstern überlegen, die Gewalt anwenden, und diese wiederum behaupten, ihren Opfern mit Gewalt weniger zu schaden als diejenigen, die ihnen einreden, sie wären ebenso schuldig an dem Vergehen. Der Staat hat uns alle in einen Topf geworfen, und wie in allen organisierten Gruppen will sich auch bei uns jeder einzelne Teilnehmer von den anderen unterscheiden und abgrenzen.
Wissen Sie, warum diese Gruppensitzungen funktionieren? Weil Lügner niemals auf andere Lügner hereinfallen. Und, seien wir ehrlich, lügen können alle, die hier im Raum sitzen, sogar im Schlaf.
Während der ersten halben Stunde unserer Sitzung gehen wir unsere Wochenberichte durch. Dann habe ich zum ersten Mal seit Monaten etwas zu sagen.
«Ich glaube, man wird mich verhaften.»
Alle verstummen. Mrs Brenda Jane räuspert sich und schiebt das Klemmbrett auf ihrem Schoß hin und her. «Aidan, wie mir scheint, haben Sie etwas auf dem Herzen.»
«Ja. Eine aus meiner Nachbarschaft ist spurlos verschwunden, und ich fürchte, dass man mir die Schulddafür gibt, wenn sie nicht bald gefunden wird.» Meine Stimme klingt wütend, was mich selbst ein bisschen wundert, weil ich bislang dachte, ich hätte mich mit meinem Schicksal abgefunden. Aber vielleicht habe ich ja doch noch ein paar Erwartungen. Unwillkürlich lasse ich wieder das Gummiband schnappen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass ich unter Strom stehe. Ich zwinge mich, damit aufzuhören.
«Hast du sie umgebracht?», fragt Wendell. Wendell ist ein ungeheuer feister Kerl mit geschniegelter schwarzer Haarpracht im Gesicht. Er hat eine gute Ausbildung genossen, jede Menge Geld im Rücken und eine Stimme wie nach einem kräftigen Schluck Helium. Wendell ist in unserer Gruppe außerdem der unbestrittene Meister im Rationalisieren, ein armes Würstchen, das sich liebend gern exhibitioniert. Viel Show, aber immer schön auf Abstand. In unserer Gruppe sein zu müssen ist seiner Meinung nach der schlagende Beweis für die Unmenschlichkeit unseres Strafrechts.
Ich weiß nicht, ob Wendell wirklich nur auf Show macht und die Finger tatsächlich immer bei sich behält. Er hat wie jeder von uns vor seiner Aufnahme in das Resozialisierungsprogramm für Sexualstraftäter eine ausführliche Autobiographie seiner Vergehen vorlegen und sich dann an einen Lügendetektor anschließen lassen müssen (die Kosten dafür – hundertfünfzig Dollar – trägt jeder selbst, und das nicht nur einmal, denn der Test wird so oft wiederholt, bis man bestanden hat).
Ich für mein Teil halte Wendell für einen Psychopathen erster Güte. Wie gesagt, ein armes Würstchen.Er sucht sich seine Opfer gezielt aus, gern in Altersheimen, wo er bettlägerigen Greisinnen, die kaum mehr die Kraft haben, den Arm zu heben, den Anblick seiner drei Zentner nackten weißen Fleisches zumutet. Manchmal besucht
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