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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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und er gab mir einen festen, energischen Kuss.
    «Ich werde immer für euch sorgen», wiederholte er flüsternd, streifte mit seiner Wange meine und vermischte seine mit meinen Tränen. «Das verspreche ich dir, Sandy. Ihr werdet es gut bei mir haben.»
    Und ich glaubte ihm.
     
    Um 17.59   Uhr, als Aidan Brewster zu seiner wöchentlichen Sitzung eintraf, schob Jason Jones für seine Tochter einen Film in den DV D-Player und geriet zunehmend in Panik.
    Er hatte sich krankgemeldet und wusste nicht mehr weiter. Es war dunkel geworden. Sandy war immer noch nicht aufgetaucht. Auch von der Polizei kam kein Hinweis. Aus ihrem Nickerchen erwacht, war Ree so still wie zuvor. Sie hatten Candy Land und Froschhüpfen gespielt, das Leiterspiel und Fang-den-Fisch.
    Dann hatten sie sich an ihren kleinen Maltisch gesetzt – er mit verschränkten Beinen auf dem Boden – und die großen Schablonen von Aschenputtel aus Rees Lieblingsheft ausgemalt. Auch Mr   Smith blieb verschwunden, und Ree hörte auf, nach ihrem Kater oder nach ihrer Mommy zu fragen. Stattdessen betrachtete sie Jason aus ernsten dunklen Augen, die ihm immer mehr Angst machten.
    Nach dem Abendessen   – Fleischklöße, Capellini und Gurkenscheiben – legte er einen Film ein. Ree freute sich sehr angesichts dieses seltenen Vergnügens und sprangmit ihrer Puppe Lil’ Bunny auf das grüne Sofa. Jason behauptete, Wäsche waschen zu müssen, und zog sich eilig in den Keller zurück.
    Nach ein paar Schritten durch den Kellerraum konnte er nicht mehr stillstehen und begann, unaufhörlich auf und ab zu gehen.
    Als er in der Nacht zuvor von der Arbeit zurückgekehrt war und Sandra nicht zu Hause vorgefunden hatte, hatte er sich allenfalls ein wenig gesorgt und das getan, was naheliegend war: im Keller nachgesehen, auf dem Speicher, im Schuppen hinterm Haus. Dann hatte er sie auf ihrem Handy zu erreichen versucht, das Ding dann aber in der Handtasche klingeln hören. Halbherzig hatte er in der Tasche gekramt und das kleine Notizbuch mit dem Spiralrücken aufgeschlagen, um nachzusehen, ob – man kann ja nie wissen – ein mitternächtlicher Termin darin notiert war. Gegen halb drei war er allmählich zu dem Schluss gekommen, dass seine Frau nicht zu einem Treffen aus dem Haus gegangen war. Er war daraufhin in der Nachbarschaft herumgelaufen und hatte nach ihr gerufen, leise und etwa so, wie man nach einer Katze rufen würde.
    Sie war nicht in ihrem Auto, auch nicht in seinem. Und sie war nicht zu Hause.
    Türen und Fenster waren verriegelt gewesen. Sandra schien dafür gesorgt zu haben wie an jedem Abend, ehe sie zu Bett ging. Und die auf dem Küchentresen liegenden Klassenarbeiten zeigten, dass sie wie gewöhnlich noch ein wenig gearbeitet hatte, nachdem Ree eingeschlafen war.
    An welcher Stelle war die Routine unterbrochen worden?
    Seine Frau war nicht perfekt. Das wusste nicht nur Jason. Sie war noch jung und hatte wilde Zeiten hinter sich. Jetzt, im immer noch relativ zarten Alter von fast dreiundzwanzig Jahren, versuchte sie, ihre Mutterpflichten und den neu aufgenommenen Beruf unter einen Hut zu bringen, also ein Leben zu führen, das ihr alles andere als vertraut war. Als ihr erstes Schuljahr begonnen hatte, war sie ein wenig auf Distanz gegangen und auffällig wortkarg gewesen, dann seit Dezember überaus freundlich, aber irgendwie bemüht freundlich. Weil sie so anders schien, hatte er sich vorgenommen, im Februar Urlaub zu machen.
    Obwohl sie nie davon sprach, war er sich sicher, dass sie Heimweh hatte, vor allem im Winter. Er war sich sicher, dass sie manchmal den Wunsch verspürte, ausgehen oder sich wenigstens wieder ein wenig jung fühlen zu können. Aber auch darüber sprach sie nie.
    Er vermisste sie jetzt, und dieser Gedanke schmerzte ihn. Er hatte sich daran gewöhnt, nach Hause zu kommen und sie im Ehebett vorzufinden, mit eingezogenen Beinen schlafend wie ihre Tochter. Er mochte ihren schleppenden Südstaatenakzent, ihre geradezu obsessive Sucht nach Dr.   Pepper und ihr Lächeln, bei dem sich auf der linken Wange ein Grübchen zeigte.
    Wenn sie still war, strahlte sie eine Ruhe aus, die ihn besänftigte. Wenn sie mit Ree kicherte und scherzte, war ihm, als würde ein Funke auf ihn überspringen und ihn lebendig machen.
    Er hörte ihr gern zu, wenn sie ihrer Tochter vorlas oder wenn sie summend in der Küche werkelte. Er weidete sich an ihrem Anblick, wenn sie ihr Haar offen trug und sie beim Blick in seine Augen errötete.
    Ob sie ihn liebte,

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