Ohne jede Spur
stank, was selbst Litermengen von Ammoniak nicht wegbekommen konnten.
An einen Ort, wo kleine Jungen und große Mädchen starben.
Jason stieß sich eine Faust in den Mund, biss mit den Zähnen auf die Knöchel, bis er Blut schmeckte, ließ sich von den Schmerzen in die Wirklichkeit zurücktragen.
«Reiß dich zusammen», murmelte er. «Beherrsch dich. Du darfst die Kontrolle nicht verlieren.»
Plötzlich klingelte das Telefon. Dankbar verließ er den Keller und eilte nach oben, um abzunehmen.
Der Anrufer war Phil Stewart, der Rektor von Sandys Schule. Er klang ungewöhnlich irritiert.
«Ist Sandra zu Hause?», begann er.
«Sie ist nicht zu sprechen», antwortete Jason automatisch. «Kann ich eine Nachricht für sie entgegennehmen?»
Nach längerer Pause: «Jason?»
«Ja.»
«Ist sie da? Ich meine, ist sie wiederaufgetaucht?»
Die Polizei hatte also in der Schule nachgefragt. Natürlich hatte sie das. Das war nur logisch. Jason wusste nicht, was er sagen sollte, und suchte nach einer unverfänglichen Formulierung, die über den Stand der Dinge Auskunft gäbe, ohne ins Persönliche zu gehen.
Ihm fiel nichts ein.
«Jason?»
Jason räusperte sich und warf einen Blick auf die Uhr. 19.07 Uhr. Sandy war nunmehr seit – ja, seit wann? – seit achtzehn oder zwanzig Stunden verschwunden. Seit einem Tag fast, und bald würde der zweite Tag beginnen. «Ähmmm … sie … sie ist nicht zu Hause, Phil.»
«Sie wird also noch vermisst?»
«Ja.»
«Können Sie sich das irgendwie erklären? Hat die Polizei eine Spur? Wie ist es dazu gekommen, Jason?»
«Ich bin gestern Abend wie gewohnt zur Arbeit gegangen», antwortete er. «Als ich zurückkam, war sie weg.»
«Oh, mein Gott», seufzte Phil. «Haben Sie eine Ahnung, was passiert sein könnte?»
«Nein.»
«Glauben Sie, dass sie wieder nach Hause kommt? Ich meine, vielleicht hat sie sich nur eine Auszeit gegönnt.» Jetzt ging es also doch ins Persönliche. Jason konnte buchstäblich hören, wie Phil am anderen Ende der Leitung rot wurde.
«Vielleicht», erwiderte Jason ruhig.
«Nun.» Phil schien sich zusammenzureißen. «Dann werde ich wohl über übel für eine Vertretung sorgen müssen.»
«Ja, das sollten Sie.»
«Wird die Suche morgen fortgesetzt? Ich könnte mir vorstellen, dass ein paar Kollegen gern behilflich wären. Wahrscheinlich auch manche Eltern. Es wird doch bestimmt Unterstützung benötigt. Wir könnten Handzettelverteilen, Nachbarn befragen und so weiter. Wer leitet die Ermittlungen?»
Jason spürte wieder Panik in sich aufsteigen. Er straffte die Schultern und zwang sich zu einer festen Stimme. «Das weiß ich noch nicht, aber ich gebe Ihnen dann Bescheid.»
«Wir müssen auch überlegen, was wir den Kindern sagen», fuhr Phil fort. «Wäre nicht so gut, wenn sie es aus den Zeitungen erfahren. Vielleicht sollten wir auch die Eltern benachrichtigen. So etwas hat es in unserer Gegend noch nie gegeben. Wir müssen die Schüler darauf vorbereiten.»
«Ich halte Sie auf dem Laufenden», sagte Jason.
«Wie geht es Clarissa?», fragte Phil.
«Den Umständen entsprechend.»
«Wenn Sie Hilfe brauchen, lassen Sie es uns wissen. Ich bin mir sicher, dass die eine oder andere Kollegin gern einspringen würde. Das ließe sich regeln.»
«Natürlich», entgegnete Jason. «Das ließe sich regeln.»
9. Kapitel
Um 17.59 Uhr hatte Sergeant D. D. Warren wieder Oberwasser. Zum einen hatte sie endlich einen Durchsuchungsbeschluss für Jason Jones’ Wagen. Zum anderen war sie mit der Bewährungshelferin eines registrierten Sexualstraftäters verabredet. Aber das Beste: In der Nachbarschaft stellten alle ihr Gerümpel für die Sperrmüllabfuhr auf die Straße.
Sie fuhr durch South Boston und stimmte mit Detective Miller, der neben ihr saß, die nächsten Schritte ab, während sie sich gleichzeitig mit Blick durchs Fenster ein Bild von der Lage des Landes machte.
«Detective Rober sagt, Jones sei den ganzen Nachmittag über im Haus geblieben», sagte Miller. «Keine Gäste, keine Besorgungen, keine erkennbaren Aktivitäten. Er scheint mit seiner Tochter die Zeit totzuschlagen.»
«War er kein einziges Mal an seinem Pick-up?», wollte D. D. wissen.
«Nein. Er hat nicht einmal die Haustür geöffnet.»
«War er an seinem Computer? Das müsste man von draußen sehen können.»
«Ich habe nachgefragt, und die Antwort war vage. DieSonne stand so ungünstig, dass unser Mann nicht sehen konnte, was sich hinterm Küchenfenster
Weitere Kostenlose Bücher