Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
Vom Netzwerk:
abspielte. Aber nach seiner Einschätzung hat Jason die meiste Zeit mit seinem Kind verbracht.»
    «Interessant», sagte D.   D. und meinte es auch so. Wie sich ein Ehemann verhielt, dessen Liebste verschwunden war, war für polizeiliche Ermittlungen außerordentlich aufschlussreich. Ging er seinen üblichen Geschäften nach? Ließ er sich von einer anderen Frau «trösten»? Kaufte er Brandbeschleuniger und/​oder andere ungewöhnliche Mittel beziehungsweise Werkzeuge?
    An Jasons Verhalten schien vor allem das bemerkenswert zu sein, was er nicht tat. Er bat weder Freunde noch Verwandte vorbeizukommen, um ihn zum Beispiel bei der Betreuung des Kindes zu unterstützen. Er ging nicht in den nächsten Copyshop, um Fotos seiner vermissten Frau vergrößern zu lassen. Er verzichtete darauf, sich bei Nachbarn zu erkundigen:
Hey, habt ihr zufällig meine Frau gesehen? Hat jemand letzte Nacht vielleicht was Ungewöhnliches bemerkt? Oh, übrigens, wisst ihr, wo unser Kater abgeblieben sein könnte?
    Seine Frau verschwand – aber er unternahm nichts.
    Es schien fast, als erwarte er nicht, dass sie zurückkehrte. Das fand D.   D. äußerst interessant.
    «Okay», sagte sie, «da sich Jason bedeckt hält, sollten wir zunächst einmal die Bewährungshelferin von Aidan Brewster aufsuchen. Der verdächtige Ehemann läuft uns nicht weg. Kümmern wir uns also einstweilen um den vorbestraften Nachbarn.»
    «Einverstanden», entgegnete Detective Miller. «Schongesehen? Morgen ist Sperrmüll.» Er deutete nach draußen, wo sich auf den Gehwegen ausrangierter Plunder sammelte. Solange er sich im Haus befand, brauchte man zu dessen Beschlagnahme einen Beschluss. Aber draußen auf dem Gehweg   … «Wie wär’s, wenn ich einen Kollegen auf Jones’ Müll ansetzen würde? So gegen zwei oder drei in der Nacht? Vielleicht ist etwas dabei, das uns weiterhelfen könnte.»
    «Ah, Detective, Sie können Gedanken lesen.»
    «Ich versuch’s», erwiderte er bescheiden.
    D.   D. zwinkerte ihm zu. Sie machten kehrt und fuhren zurück in die Stadt.
     
    Colleen Pickler war bereit, sie in ihrem Büro zu empfangen, einem als solches kaum erkennbaren Raum mit hellgrauem Linoleumboden, steingrau gestrichenen Wänden und Aktenschränken in ähnlicher Farbe. Colleen war das komplette Gegenteil von Gran: eine athletische Amazone mit knallroten Haaren, um die eins achtzig und ausstaffiert mit dunkelrotem Blazer über einem kaleidoskopischen T-Shirt aus Orange-, Gelb- und Rottönen. Als sie sich hinter ihrem Schreibtisch erhob, schien es, als tauchte aus einer Nebelbank plötzlich eine Fackel auf.
    Mit drei lässigen Schritten durchquerte sie das Zimmer, schüttelte ihrem Besuch die Hand und bat die beiden, auf den kleinen blauen Stühlen vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen.
    «Stören Sie sich bitte nicht an meinem Büro», schmunzelte sie. «Ich habe fast ausschließlich mit Sexualstraftätern zu tun, und die zuständigen Behörden sind offenbarder Ansicht, dass alle Farben, abgesehen von Grau, stimulierend auf sie wirken könnten. Ich weiß allerdings   –», sie deutete auf ihr Haupt, «dass dem nicht so ist.»
    «Sie arbeiten fast ausschließlich mit Sexualstraftätern?», fragte D.   D. überrascht.
    «Ja, für die Bewährungshilfe eine durchaus dankbare Gruppe. Fixer und kleine Gauner werden rückfällig, sobald sie wieder frische Luft schnuppern. Über Auflagen lachen die nur. Der durchschnittliche Sittenstrolch hingegen ist eifrig bemüht, alles ordnungsgemäß zu erfüllen.»
    Miller starrte Pickler an, als hätte er gerade eine Erscheinung. «Wirklich?», fragte er. Er strich sich über seinen dünnen braunen Schnauz, hielt kurz inne und strich weiter.
    «Ja. Die meisten von ihnen haben die Hosen voll. Der Knast war die Hölle für sie. Dahin wollen sie auf keinen Fall zurück. Sie sind ausgesprochen fügsam und regelrecht darauf erpicht, alles korrekt zu machen. Im Ernst, die richtig harten Päderasten würden sich sogar täglich bei mir melden. Ich bin der einzige erwachsene Mensch, zu dem sie eine Beziehung haben, und mir zuliebe würden sie sich beide Beine ausreißen.»
    D.   D. zog eine Braue in die Stirn und setzte sich. «Also ganz normale Jungs.»
    Pickler zuckte mit den Achseln. «Sofern von normal überhaupt die Rede sein kann. Aber natürlich wären Sie jetzt nicht hier, wenn Sie nicht davon ausgehen müssten, dass einer wieder über die Stränge geschlagen hat. Um wen handelt es sich?»
    D.   D. warf einen Blick auf ihre

Weitere Kostenlose Bücher