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Ohne jede Spur

Ohne jede Spur

Titel: Ohne jede Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Krise, und mir bleibt zurzeit nichts anderes übrig, als mich um meine Tochter zu kümmern. Ich bin in Alarmbereitschaft, aber noch nicht im Einsatz.»
    «Warum geben Sie Ihre Tochter nicht dem Großvater an die Hand?», fragte D.   D. wie beiläufig, doch ihre Augen funkelten. Sie hatte also davon gehört. Natürlich. Der Posten vorm Haus hatte Anweisung, Sergeant Warren über jeden seiner Schritte zu informieren.
    «Kommt nicht in Frage», antwortete er.
    «Warum nicht?»
    «Ich mag keine Leinenanzüge.»
    So leicht ließ sich D.   D. nicht abservieren. Sie setzte sich ihm gegenüber, stützte ihre Ellbogen auf die Knie und zeigte sich neugierig. Aus der Küche war zu hören,wie Schranktüren geöffnet und geschlossen, Schubladen auf- und zugeschoben wurden. Jason nahm an, dass man den Computer bereits weggeschafft hatte. Wahrscheinlich auch den iPod aus der Schublade im Nachttischchen. Vielleicht sogar den Radiowecker. Alles, was mit Datenträgern ausgestattet war. Im vergangenen Jahr hatte der Fall eines Managers Schlagzeilen gemacht, der eine Fülle belastender Finanzdokumente in der Xbox seines Sohnes gespeichert hatte.
    Jason kannte seine Rechte genau und fand Gefallen daran, mit der hübschen blonden Sergeantin noch ein bisschen Versteck zu spielen.
    «Sie sagten, Sandy und ihr Vater hätten sich entfremdet», erinnerte sie.
    «Stimmt.»
    «Warum?»
    «Das sollte Sandy Ihnen erzählen.»
    «Ihre Frau ist momentan leider nicht zu sprechen, aber vielleicht könnten Sie mir auf die Sprünge helfen.»
    Er dachte kurz nach. «Ich glaube, wenn Sie den alten Herrn fragen, wird er antworten, dass seine Tochter ein unbesonnenes und bockiges junges Mädchen war, als sie mich kennengelernt hat.»
    «Ach ja?»
    «Und ich glaube, als erfahrene Kriminalistin werden Sie sich fragen, weshalb Sandy so bockig und wild war.»
    «Hat er sie geschlagen?»
    «Ich bin mir nicht sicher.»
    «Hat er sie missbraucht?» D.   D. krauste die Stirn.
    «Es liegt wohl eher daran, dass sie von ihrer Mutteraufs übelste misshandelt worden ist und er nie eingegriffen hat. Die Mutter ist tot. Sandys Hass kann sie nicht treffen. Der alte Herr hingegen   …»
    «Sie hat ihm nicht verziehen?»
    Er zuckte mit den Achseln. «Wie gesagt, fragen Sie sie selbst.»
    «Warum sind die Fenster in Ihrem Haus so aufwendig gesichert, Jason?»
    Er sah ihr ins Gesicht. «Weil die Welt voller Ungeheuer ist und wir unsere Tochter davor bewahren wollen.»
    «Klingt ziemlich extrem.»
    «Paranoia schmälert nicht die tatsächlichen Gefahren.»
    Sie lächelte ein wenig. Die Fältchen an den Augen verrieten ihr Alter, gaben ihr aber gleichzeitig einen sanfteren Touch. Sie wirkte zugänglicher. Jason sah: Diese Frau verstand sich auf ihren Job. Er war müde und spielte mit dem Gedanken, der schönen Sergeantin alles anzuvertrauen. Vielleicht konnte sie schlau daraus werden.
    «Wann hat Sandy das letzte Mal mit ihrem Vater gesprochen?», fragte D.   D.
    «Am Tag, als sie mit mir die Stadt verlassen hat.»
    «Danach hat sie sich nie mehr bei ihm gemeldet? Auch nicht, als Sie sich in Boston niedergelassen haben?»
    «Nein.»
    «Nicht zur Hochzeit, nicht zur Geburt Ihrer Tochter?»
    «Nein.»
    Ihre Augen verengten sich. «Warum ist er jetzt hier?»
    «Er behauptet, von ihrem Verschwinden über dieNachrichten erfahren und darauf sofort zum Flughafen gefahren zu sein, Hals über Kopf, wie er sagte.»
    «Verstehe. Die verlorene Tochter wird vermisst, und ausgerechnet jetzt will er ihr einen Besuch abstatten.»
    «Fragen Sie ihn.»
    D.   D. hielt den Kopf schief. «Sie belügen mich, Jason. Obwohl Sie wissen, dass Sie mich nicht hinters Licht führen können.»
    Er schwieg.
    «Sie blicken nach links unten. Wer sich an etwas zu erinnern versucht, schaut nach links oben. Wer die Wahrheit zu vertuschen versucht, nach links unten. Ein interessantes Detail, das man in der Polizeischule lernt.»
    «Und nach wie vielen Tagen hatten Sie Ihre Abschlussprüfung?»
    Sie verzog den Mund zu einem halben Lächeln. «Officer Hawkes vermutet, dass Maxwell Black einiges über seine Enkelin zu wissen scheint, so zum Beispiel, dass Sie nicht ihr leiblicher Vater sind.»
    Jason antwortete nicht. Am liebsten hätte er laut aufgeschrien und das Gegenteil behauptet, aber die Sergeantin hatte keine Frage gestellt, und er kannte die wichtigste aller Regeln einer Vernehmung: Antworte nie auf unausgesprochene Fragen.
    «Wann wurde Ree geboren?», hakte D.   D. nach.
    «An dem Tag, als ihre

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