Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Es war Mark. Er nannte mir die Adresse eines teuren Hotels in Canary Wharf. Das Zimmer und alle weiteren Ausgaben waren schon bezahlt. Ich brauchte auch keine Kreditkarte zum Einchecken. Er schlug vor, er könnte im Hotel warten, um in der Nähe zu sein, im Foyer oder im Restaurant. Ich sagte:
»Das ist eine gute Idee.«
Ich beendete das Gespräch und erzählte meiner Mum von unserem Plan. Wir würden zum Hotel fahren, dort könnte sie ihre Geschichte zu Ende erzählen, ohne Angst haben zu müssen, dass uns jemand fand. Canary Wharf war weit genug weg. Und mein Dad würde uns dort nie im Leben vermuten, diese Ecke Londons war für unsere Zwecke schön anonym und nicht mit irgendwelchen Erinnerungen verbunden. Meine Mum ließ das Tor vor dem Haus nicht aus den Augen. Als ich auf eine Antwort drängte, packte sie plötzlich meinen Arm und zog mich nach unten. Ein Taxi fuhr vorbei. Meine Mum und ich kauerten im Fußraum hinter den Vordersitzen, die Gesichter nah beieinander. Meine Mum hielt den Atem an. Der Motor des anderen Autos wurde leiser. Langsam tauchten wir wieder auf. Wir spähten durch die Heckscheibe, als würden wir aus einem Schützengraben lugen. Vor dem Tor hielt ein schwarzes Taxi. Mein Dad stieg aus.
Ich hatte ihn seit April nicht mehr gesehen. Körperlich hatte er sich verändert. Er hatte abgenommen. So wie meine Mum sah auch er abgerissen aus. Er blieb auf der Straße stehen, zündete eine Zigarette an und inhalierte, als würde sein Leben von diesem einen Zug abhängen, während er das Haus musterte. Es war schön, ihn zu sehen, ich liebte ihn sehr, und dieses Gefühl war so stark, dass mein Instinkt mir sagte, ich sollte ihm vertrauen, ich sollte mein Versteck verlassen und ihn rufen.
Ein zweiter Mann stieg aus dem Taxi. Meine Mum rief:
»Nicht er!«
Der Mann legte meinem Dad eine Hand auf die Schulter. Ich war so überrascht, dass ich mich aufrichtete und aus der Deckung ging, bis meine Mum mich nach unten zog und zischte:
»Sie sehen dich noch!«
Der zweite Mann war etwa so alt wie mein Dad, aber ordentlich gekleidet. Er war weder auf den Fotos noch in den Zeitungsausschnitten aufgetaucht. Mein Dad hatte nicht erwähnt, dass er jemanden mitbringen würde; das war eine so wichtige Information, dass ich mich fragte, ob ich die Mailbox nicht richtig abgehört hatte. Nachdem der Unbekannte das Taxi bezahlt hatte, steckte er seine Lederbrieftasche wieder ein. Meine Mum krallte die Finger in meinen Arm. Sie hatte Angst.
»Wer ist das, Mum?«
Sie fuhr herum, berührte den Fahrer an der Schulter und rief:
»Los! Los! Los!«
Die Rolle als Fluchtwagenfahrer war der Mann nicht gewohnt, er faltete erst einmal gemächlich seine Zeitung zusammen. Sehr zum Entsetzen meiner Mum, die allem Anschein nach am liebsten über den Sitz geklettert wäre, um selbst das Lenkrad zu übernehmen. Als ich mich umsah, standen mein Dad und sein unbekannter Begleiter vor dem Tor und diskutierten. Unser Fahrer ließ den Motor an, Dad blickte auf, sah in unsere Richtung, und meine Mum ließ sich wieder nach unten rutschen.
»Er hat uns gesehen!«
Sie tauchte erst wieder auf, als ich ihr Minuten später versicherte, dass uns niemand folgte. Ich half ihr sanft auf den Sitz und fragte:
»Wer war der Mann?«
Sie schüttelte den Kopf, ohne zu antworten, und legte einen Finger an die Lippen, genau wie im Zug von Heathrow aus, genau wie Håkan es angeblich bei seinem Besuch getan hatte. Ich merkte, dass ich die Geste nachahmen, sie selbst ausprobieren wollte. Irgendwie verstand ich sie nicht ganz.
Während der gesamten Fahrt starrte meine Mum nach hinten und sah sich jedes Auto, das sich durch den Verkehr fädelte, genau an. Der Fahrer warf mir im Rückspiegel einen fragenden Blick zu, ob mit meiner Mum alles in Ordnung war. Ich sah weg. Ich wusste es nicht – wenn ich gerade noch dachte, sie sei krank vor Angst und paranoid, hatte ich im nächsten Moment das Gefühl, ihre Angst und Paranoia seien berechtigt, und spürte sie selbst. Ich fragte mich auch immer noch, warum mein Dad mir nicht gesagt hatte, dass er diesen gut gekleideten Fremden mitbringen würde.
Mein Handy klingelte.
»Er will bestimmt wissen, wo wir sind.«
»Geh nicht ran.«
»Ich muss ihm wenigstens sagen, dass es uns gut geht.«
»Erzähl ihm nicht, was wir vorhaben!«
»Ich muss ihm erklären, was wir machen.«
»Aber ohne Einzelheiten.«
Ich meldete mich. Mein Dad war wütend:
»Der Portier sagt, ihr wärt gerade gegangen.«
Meine Mum
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