Ohne Kuss ins Bett

ordentlich gekämmtem Haar wieder zurück, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Andie Alice ’ Haar zu einem kleinen Haarknoten wand und mit einer ihrer Haarspangen befestigte.
    Andie lehnte sich zurück, um ihr Werk zu begutachten. Abgesehen davon, dass Alice noch immer schrie wie am Spieß und Tränen über ihr verzerrtes, gerötetes Gesicht liefen, sah sie wirklich adrett aus. »Alice, ich bin schon lange fertig. Hör auf zu schreien, und sieh dich an. So siehst du richtig hübsch aus.«
    Alice brüllte noch lauter, wobei sie sich Andie zuwandte. Da ging Andie in ihr Zimmer hinüber, holte ihren Handspiegel und hielt ihn Alice vor das Gesicht. »Sieh mal.«
    Abrupt brach das Geschrei ab, wahrscheinlich weil Alice erkannte, dass sie mit aufgerissenem Mund wie ein kleines Monster aussah, und wohl auch, weil sie sich selbst schon lange nicht mehr ohne struppiges Haargewirr auf dem Kopf gesehen hatte. »Ich finde es scheußlich«, kommentierte sie, aber sie sprach ruhig, anstatt zu schreien, und das hielt Andie für einen Fortschritt.
    »Das ist mein braves Mädchen«, lobte Andie und erhob sich wieder.
    »Ich bin nicht dein braves Mädchen«, entgegnete Alice und stapfte an Carter vorbei zur Tür hinaus, eindeutig am Ende ihrer Geduld mit Andie und mit dem Leben allgemein, doch immerhin gab sie beim Anblick von Andies gelbem Ford Mustang ein widerwillig anerkennendes Knurren von sich. Die Fahrt nach Grandville verlief mehr oder weniger ereignislos, abgesehen von einem kritischen Moment, als Andie ohne Anhalten durch New Essex fuhr und auf die breite Landstraße einbog und Alice glaubte, sie würde wieder einmal gekidnappt. Sie schrie, bis Carter neben ihr auf dem Rücksitz nur sagte: »Reg dich ab, wir fahren nur bis zur nächsten Stadt«, ohne dabei den Blick aus seinem Comicheft zu heben. Alice hörte auf zu schreien. Offensichtlich nahm sie alles, was Carter sagte, als gegeben hin.
    »Danke«, sagte Andie und blickte in den Rückspiegel, um ihm ins Gesicht zu sehen.
    Er reagierte nicht.
    Kaum hatten sie auf dem Parkplatz des großen Einkaufszentrums in Grandville geparkt, stieg er aus und eilte in Richtung des Buchladens davon. Andie ging mit der schweigenden, finster dreinblickenden Alice zu einem Bettengeschäft, um für sie eine blaue Tagesbettdecke und für Carter eine rot gestreifte zu kaufen. Als Alice gegen die blaue Decke lauthals protestierte: »Die glitzert nicht«, gingen sie weiter zu einem Stoffgeschäft und erwarben dort ein Stück blauen, mit Pailletten besetzten Chiffon und Nähseide. Danach suchten sie eine Schreibwarenhandlung auf, in der Alice ein Zeichenheft für Carter, eine Packung Markerstifte, einen dicken Packen großformatiger Papierbögen, ein paar Buntstifte mit Totenköpfen an den Enden sowie einen Anspitzer auswählte, wobei sie Andie vollständig ignorierte, bis Andie ihr eine Packung Hello-Kitty -Stifte anbot: Da bedachte Alice sie mit einem sengenden, verachtungsvollen Blick.
    Sie zogen weiter und kauften T-Shirts und schwarz-weiß gestreifte Leggins und einen schwarzen, trikotartigen Jersey-Rock für Alice, die als Kommentar nur Würgelaute produzierte. Doch als sie sich dann nach Kleidung für Carter umsahen, vergaß das kleine Mädchen plötzlich seine Anwandlungen von Trotz und suchte ernsthaft und sorgfältig aus, was er brauchte. Einkaufen als Therapie , dachte Andie und zog sie weiter zu einer Handwerkerabteilung, wo sie weiße Wandfarbe kaufte, um das Rosarot aus Alices Zimmer zu bannen. »Ich will Schwarz«, wandte Alice ’ ein, und es waren die ersten Worte, die sie in normalem Ton sprach, seit sie aus dem Wagen gestiegen waren. Andie erwiderte: »Auf Weiß kannst du mit deinen Markerstiften malen«, und sah, wie Alice bei diesem Gedanken plötzlich fast lächelte. Es war schon fast unheimlich.
    Dann betraten sie den Buchladen.
    »Ist das Ihrer?«, erkundigte sich der Verkäufer und deutete auf Carter, und Andie bejahte. »Und Sie wollen wirklich alle diese Bücher kaufen?«, erkundigte sich der Verkäufer weiter und wies auf den Stapel Bücher bei der Kasse. Andie sah sie rasch durch und erkannte Comicbücher, Skizzenhefte und Bücher über das Zeichnen von Comics. »Ja, ich will alle diese Bücher kaufen«, antwortete Andie und zog Norths Scheckkarte aus der Tasche. Nach einem Weilchen kam Alice mit zwei Büchern über Schmetterlinge an, und Andie legte sie auf den Stapel.
    Als sie schließlich alles im Auto untergebracht hatten, sagte Andie: »Jetzt zu den