Ohne Kuss ins Bett
Crumb …«
»Wurde schwanger, wissen Sie.« Mrs Crumb schüttelte wie ein Schmierenkomödiant traurig den Kopf. »Ich weiß nicht, wie sie starb. Darüber spricht sie nicht.«
»Sie spricht also mit Ihnen.«
»Nein, aber früher saß sie oft bei mir. Bevor Alice geboren wurde. Alice ’ Mutter starb bei der Geburt, und sie brachten das arme kleine Baby hierher, und von da an saß sie nie mehr bei mir. Sie passt nur noch auf Alice auf. Das ist alles, was sie will, sich um Alice kümmern. Sie glaubt, Alice sei ihr Baby. Peter dagegen will das Haus haben. Peter und Carter, die sind sich sehr nahe.« Das Letzte sagte sie mit vorwurfsvoller Stimme.
Ach du lieber Gott , dachte Andie. Entweder waren bei Mrs Crumb sämtliche Schrauben locker, oder es gab Geister, die Alice und Carter verfolgten. Andie war sich selbst nicht sicher, welche Möglichkeit ihr lieber war. »Und woher wissen Sie das alles?«
»Ich weiß eben Bescheid«, erwiderte Mrs Crumb und wandte den Blick ab.
»Wer hat Ihnen das erzählt?«
Mrs Crumb erhob sich. »Wenn Sie mir nicht glauben wollen, von mir aus.«
»Hören Sie«, versuchte Andie es erneut, »Sie glauben daran, dass diese Geister existieren. Und das … beunruhigt mich.«
»Sie haben sie doch gesehen.« Mrs Crumb blickte schlau drein. »Und Alice mag Miss J. gern!«
»Ich glaube, selbst Alice würde vor Untoten zurückschrecken.«
»Diese Kleine hat schon viele Tote gesehen. Sie weiß, dass da draußen etwas lauert.«
Andie rieb sich die Stirn. »Na gut. Vergessen wir mal Miss J. und … äh, Peter. Ist hier jemals ein neunzehnjähriges Mädchen gestorben? Sehr schön, lockiges Haar, tanzt gern?«
Mrs Crumb durchlief ein Schauder, dann lehnte sie sich zurück und wirkte wieder ruhiger und normaler. »Hier sind schon eine Menge Menschen gestorben. Schließlich ist dieses Haus über vierhundert Jahre alt.«
»Ich träume immer wieder von einem neunzehn Jahre alten Mädchen. Zumindest sagt sie, dass sie neunzehn ist. Letzte Nacht hat sie im Traum mit mir gesprochen. Ich weiß, dass sie nicht wirklich da ist. Hören Sie, irgendetwas geht hier vor, und ich werde herausfinden, was das ist, und sollte sich herausstellen, dass Sie das Ganze irgendwie inszeniert haben …«
Mrs Crumb lachte, und es klang viel fröhlicher, als Andie erwartet hätte. »Wie sollte ich Ihnen wohl schlimme Träume bescheren? Oder Sie eine Frau am Teich sehen lassen?«
»Oder den Kerl auf dem Turm?«, fuhr Andie fort. »Ich dachte, dass es vielleicht Bruce wäre, der mit der Arbeit anfangen will, aber dazu war seine Kleidung viel zu seltsam.«
Mrs Crumb lächelte fast jugendlich. »Auf dem Turm? Ach, das ist Peter. Er glaubt, das Haus gehört ihm. Er betrachtet einfach seinen Besitz …«
Ein schrilles Pfeifen ließ Andie jäh aufschrecken. Sie blickte sich um und entdeckte auf dem Herd einen Teekessel, der Dampf durch seinen Pfeifdeckel ausstieß.
Reiß dich zusammen. Dieses verdammte Haus geht dir an die Nerven . »Mrs Crumb, ich glaube nicht an Gespenster.«
»Na, Sie haben sie schließlich gesehen«, sagte Mrs Crumb. Dann stand sie auf, um den Teekessel vom Herd zu nehmen, wobei sie sich mit seltsam jugendlicher Grazie bewegte. »Sie sollten dafür sorgen, dass Mr Archer herkommt.« Sie holte eine Teetasse mit Untertasse aus dem Regal. »Er sollte hier sein, wenn Sie sich Sorgen machen. Soll ich Ihnen auch eine Tasse Tee machen?«
»Nein danke«, erwiderte Andie und dachte: Ich brauche richtige Informationen . Die Bücherei in Grandville war schließlich nicht allzu weit entfernt, und dort hatten sie vielleicht ein Buch über die Geschichte des Hauses. Oder ein Buch darüber, wie man Geister vortäuschen konnte. Oder über Exorzismus.
Sie ließ Mrs Crumb, die milde lächelnd ihren Earl-Grey-mit-Schnaps umrührte, allein in der Küche zurück und ging auf die Suche nach den Kindern.
Sie fand sie in der Bibliothek, wo sie, die Köpfe nahe zusammen, miteinander sprachen und dabei offen und entspannt wirkten, bis sie sie hereinkommen sahen; sofort wurden ihre Gesichter wieder verschlossen.
»Kommt, wir wollen den Mulch auf Alice ’ Schmetterlingsgarten verteilen und dann in die Bücherei von Grandville fahren«, schlug sie vor, und die beiden blickten sich an und erhoben sich dann ohne Widerrede, um ihre Mäntel zu holen.
Alice ’ Jessica-Puppe war zu Boden gefallen, als sie aufstand, und so hob Andie sie auf und setzte sie auf den Fenstersitz. Die Haare der Puppe waren zerzaust wie meistens
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