Ohne Kuss ins Bett
und Andie versuchte, sie wieder in den Knoten zu stecken. Sie strich den dreifach abgesetzten Rock glatt, der sich in das Haarband verwickelt hatte …
Dreifach abgesetzt. Die Frau auf der anderen Seite des Teichs hatte genau so ein Kleid getragen. Und sie hatte auch die gleiche Frisur wie die Puppe.
Ich halluziniere , dachte sie. Da war gar keine Frau, sondern ich hatte eine Halluzination von Alice ’ Puppe. Alice hat sich seltsam benommen, weil ich darauf bestanden habe, dass sie meine Halluzination auch sehen müsste .
Aber Alice hatte sie zuerst gesehen.
Es gibt keine Geister , ermahnte sie sich selbst, setzte die Puppe auf den Fenstersitz und ging hinaus, um beim Mulchen zu helfen.
Nach zwei Stunden in der Bücherei von Grandville, die Andie damit verbrachte, nach »Archer House«, »Falsche Gespenster« und »Parapsychologen, Ohio« zu suchen, bestanden die einzigen Ergebnisse in einem Buch mit dem Titel Geisterjagd: Die Geschichte des Kampfs eines Mannes gegen die Untoten sowie einem sehr alten Zeitungsartikel über den verrückten Archer, der sein Haus glatt aus dem fernen England hierhergebracht hatte. Andie kopierte den Artikel und lieh das Buch aus, dann fuhr sie mit den Kindern wieder nach Hause. Dabei versuchte sie, ihnen ein paar allgemeine Fragen zu stellen. »Tja, also, Stichwort Geister. Was denkt ihr euch so darüber?« Aber die beiden reagierten nicht darauf, und so brachte sie sie mit der üblichen Routine zu Bett und zog sich dann selbst mit dem Buch ins Bett zurück. Der Autor hieß Boston Ulrich und stammte aus Cincinnati. Das war gar nicht so weit entfernt und damit ein Pluspunkt. Aber nachdem sie sich die ersten zwei Kapitel zu Gemüte geführt hatte, war ihr klar, dass das Buch ihr keine Hilfe bot, da es mehr davon handelte, wie schlau Boston Ulrich war, als von Geistern.
Das ergab sogar Sinn, fand sie, denn schließlich gab es keine Geister. Worüber hätte er also schreiben sollen? Die Frau hinten am Teich hatte sich wahrscheinlich nur das Haus angesehen; und der Mann auf dem Turm hatte wahrscheinlich das Fernsehkabel überprüft, und Mrs Crumb hatte Andie nichts davon gesagt, damit sie diese In-diesem-Haus-spukt-es-Geschichte loswerden konnte. Oder was auch immer. Jedenfalls gab es keine Geister. Sie legte das Buch beiseite, schaltete die Lampe aus und entspannte sich, um einzuschlafen. Vielleicht würde sie diesmal von Will träumen. Das würde ihr ein wenig das Schuldbewusstsein wegen all der heißen Träume von North nehmen. Na los, Will , dachte sie, aber dann war es doch wieder das Geistermädchen, das am Fußende ihres Bettes auftauchte und sie anlächelte.
»Wer bist du?«, fragte Andie, und das Mädchen antwortete: Ich bin du , und ließ sich auf der Bettkante nieder.
Sie wirkte diesmal rundlicher, als hätte sie sich besser ernährt, was immer auch Geister zu sich nahmen. Sie war voller, obwohl noch immer durchscheinend, und Andies Schwindelgefühle waren längst nicht mehr so schlimm. Andie betrachtete sie stirnrunzelnd und forschte in ihrem Gedächtnis, welcher Begegnung in ihrer Vergangenheit sie wohl dieses Trugbild zu verdanken hatte.
Ach, hör schon auf damit , meinte das Mädchen und machte es sich auf dem Fußende des Bettes bequem. Kannst du nicht akzeptieren, dass ich du bin? Jeder ist doch in seiner Jugend hübscher und interessanter .
»Vielen Dank, aber: nein. Du bist nichts als irgendeine verrückte Erinnerung. Nach meiner Scheidung habe ich ständig von meinem Mann geträumt. Einer der Psychotherapeuten meinte, das würde bedeuten, dass ich versuchte, mich auf eine bessere Art zu verabschieden. Aber an jemanden wie dich kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.«
Nein, weil es niemanden wie mich gibt.
Sie brauchen jemanden wie dich , hatte North gesagt. Und ich kenne sonst niemanden, der so ist wie du .
Erzähle mir von dem Kerl, den wir heiraten , forderte das Mädchen sie auf. North Archer .
»Er ist ein guter Mensch«, sagte Andie. »Nur sehr distanziert. Aber die Frage ist doch, wenn du irgendeine begrabene Erinnerung bist, warum solltest du jetzt durch meine Träume geistern?« Sie hielt inne. »Geistern. Bist du die Erinnerung eines anderen?«
Erzähle mir drei Dinge über North Archer, dann verschwinde ich.
»Machen wir einen Handel«, schlug Andie vor. »Ich tue es, wenn du mir drei Dinge über dich erzählst.«
Du fängst an .
»Na gut.« Andie wählte die erste Begebenheit, die ihr in den Sinn kam. »An dem einen Valentinstag,
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