Ohne Schmerz - Kein Halleluja
Dienstmann Alois, dem Münchner im Himmel. In Sarria lassen wir uns auf der Rua Maior in einem kleinen Restaurant nieder, das Pilgermenü ist gut und günstig, es ist bereits Nachmittag und wir haben ganz gut Hunger. Ein paar Tische neben uns bemerke ich zwei eigenartige Gestalten. Dunkle, indisch anmutende Haut, dichtes, schwarzes, glänzendes Haar, Gesichter wie libanesische Gebrauchtwagenhändler und mit Pilgerstab, Jakobsmuschel und symbolischer Kalebasse ausgestattet. Keine Spur von Wanderschuhen oder Wanderkleidung. Ich mache Thomas und Katja auf die Beiden aufmerksam. Ganz offenbar sind die Zwei Gitanos, also Zigeuner, die aus welchem Grund auch immer, versuchen sich als Pilger auszugeben. Vermutlich eine Masche. Aber ob sie mit der albernen Tarnung bei irgendwas Erfolg haben? Thomas amüsiert sich, Katja gruselt sich ein bisschen, die zwei Männer wirken auch nicht gerade vertrauenswürdig. Thomas erzählt die Story von der Schnorrerin aus Leon, die die Pilger mit der herzerweichenden Geschichte vom verlorenenBahnticket abzockte. Katja wird hellhörig. „Ich glaub, die hab ich auch getroffen!“
Auf den letzten Kilometern müssen wir noch eine steile Steigung im Wald hinter uns bringen, dabei überholen wir eine amerikanische Jugendgruppe, die zum Teil mit Bootssegelschuhen und Sneakers unterwegs sind. Gerade in Sarria gestartet. Die Lightpilger und Wochenendpilger nehmen jetzt zu. Genauso oft stößt man jetzt auf Wandergruppen, die nur für zwei, drei Tage auf dem Camino laufen. Die meisten davon sieht man nach kurzer Zeit nicht mehr und auch in Santiago kommen viele davon gar nicht erst an. Soll mir recht sein, solange ich meinen Platz in der Herberge bekomme.
Die Herberge, auf die wir durch einen Flyer unterwegs aufmerksam wurden, heißt Casa Barbadelo und ist wirklich schön. Die 8 Bett Zimmer sind bereits belegt, aber der nette, junge Hospitalero hat ein Vier-Bett Zimmer für uns Drei mit eigenem Badezimmer. Wir sind begeistert. Endlich mal wieder ausgiebig duschen und pflegen. Es kommt noch besser. Das Zimmer verfügt über vier geräumige Einzelbetten, mit Bettwäsche! Der Schlafsack bleibt im Rucksack. Wir besorgen uns etwas zu essen, zwei Flaschen Wein und genießen den Abend auf einer Bank vor unserem Zimmer. Und unsere Nachbarn kennen wir auch schon, die beiden Zillertaler Bergziegen, die uns hinter Astorga des Ballermanntums verdächtigten, sind auch da. Und stellen sich als doch ziemlich nett heraus. Obwohl Thomas ihnen immer noch etwas suspekt ist. Er nimmt es gelassen und tischt ihnen spaßeshalber die Geschichte auf, er würde hauptberuflich ein Mädchenpensionat betreiben. Das glauben sie ihm genauso wenig, wie alles andere. „Also was macht ihr denn nun wirklich?“ „Wir sind Drehbuchautoren für Frauenpornos. Ich schreibe die Stories und Thomas die Dialoge und Stöhngeräusche.“ So langsam entwickelt sich das mit den beiden Bergziegen zu einem Running Gag.
Die Sonne geht unter, wir stellen unsere Wanderschuhe zum Lüften vor die Tür und ich mache erstmals den Schnuppertest. Nichts. Kein Mief, kein übler Geruch, null, zero, nada. Und das nach fast 200 Kilometern und 9 Tagen in den Schuhen. Es geht eben doch nichts über eine gute Hightech-Wandersocke!
9. Etappe
Von Barbadelo nach Gonzar bzw. weiter nach Hospital da Cruz (ca. 26 bzw. 30km) Ca. 6,5 bis 8 Stunden inkl. Pausen
Barbadelo – Peruscallo 4,5km, - Ferreiros 9km, - Villacha 16km, - Portomarin 18,5km , – Gonzar 26km, , - Hospital da Cruz 30km,(insgesamt ca. 400 Höhenmeter Aufstieg und ca. 400 Höhenmeter Abstieg)
Von Barbadelo aus führt uns der Camino durch eine malerische Landschaft mit wilden Wäldern, mächtigen Eichen und netten kleinen Bauerndörfern. Häufig kommen einem hier Kuhherden entgegen, die von den Hunden der Bauern auf die Weide getrieben werden. Kein Grund zur Panik, die Kühe sind an Pilger gewöhnt. Ein kurzes Stück hinter der Siedlung A Brea steht der offizielle 100km Stein, aufgrund der Wegverschiebungen der Neuzeit sind es aber in Wirklichkeit rund 5km mehr. Dennoch macht es natürlich Sinn sich hier fotografieren zu lassen. Nach einem leichten Aufstieg bis über eine Höhendistanz von rund 110 Metern laufen wir ein ganzes Stück über eine Hochebene. Von dort geht es abwärts nach Portomarin auf 400 Meter ü.N. Über eine Brücke überqueren wir den Stausee von Portomarin. Die Pfeile des Camino führen uns nach Portomarin hinein über eine recht anstrengende Treppe, die uns mal wieder den
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