Ohne Skrupel
interessierte sich eigentlich
gar nicht mehr für seine Arbeit. Derart wenig Engagement für die Arbeit in der
IT-Abteilung war so untypisch für Franz wie eine Anakonda am Nordpol. Dieses
Video hatte irgendetwas Schlimmes bei ihm ausgelöst. JP hatte den Eindruck,
Franz habe sich irgendwie aufgegeben und resigniert. Ausgedehnt frühstücken und
Zeitung lesen schien Franz wichtiger zu sein, als Meetings mit Kollegen
abzuhalten oder Projekte zu überwachen. Das war nicht der Franz Korber, den JP
immer für seine Kompetenz, seinen Führungsstil und seinen Fachverstand
geschätzt hatte. Aus reinem Instinkt hatte JP seine Spyware-Software nun auch
besonders auf Franz Korber kalibriert. Aber es war gar nicht einfach, seinen
Chef auf elektronischem Wege zu verfolgen. Franz war durch und durch Profi, und
wenn er nicht elektronisch überwacht werden wollte, dann ging das auch nicht.
Franz hatte irgendwo auf den Großrechnern einen Bereich für sich geschaffen, wo
JP keinerlei Zugang hatte und in „dieser dunklen Ecke“ verschwand er in den
vergangenen Tagen fast regelmäßig.
Rein privat hatte JP
Stress mit Tina. Sie hatte nach seiner Rückkehr aus St. Moritz eine emotionale
Veränderung an ihm bemerkt und gebohrt und gebohrt, bis er ihr erzählte, dass
er sich dort mit Felicitas getroffen hatte. Die Seelenkummer-Nummer hatte sie
ihm keine Sekunde abgekauft. JPs Offenheit war jedenfalls keine gute Idee!
Lockere und großzügige Beziehung hin oder her, am besten funktionierte so etwas
ausschließlich nur dann, wenn die Freundinnen jeweils nichts voneinander
wussten. Sonst gab es jedes Mal riesengroßen Stress!
Und im Prinzip konnte das
JP sogar verstehen. Er wäre bei bekanntwerden von Seitensprüngen sicher auch
nicht sehr großzügig gewesen.... In diesem Falle machte ihm Tina eine
unglaubliche Szene! JP war sich nicht sicher, ob sich dieser
„Vertrauensverlust, Betrug, Respektlosigkeit“, wie auch immer sie das nannte,
nochmals würde beheben lassen. Sie war so derart sauer auf ihn, dass sie ohne
weiteres mit seiner Ex-Freundin Julietta, der Boutique-Besitzerin, eine
gemeinsame Protestbewegung gegen „JP den menschenverletzenden Mistkerl, das
Monster aus München“ hätte bilden können.
Sandy, die Stewardess,
war turnusmäßig nicht in Richtung München unterwegs und so blieb JP nur, die
vergangenen Abende ausschließlich mit spannender Malinger-Datenauswertung und
endlosen Telefonaten mit seinem französischen Schulfreund Babtiste Lucard zu
verbringen. Babtiste weihte JP erst mal in die Kunst des Lesens von Bilanzen
ein. JP war sich vorher nicht bewusst, was alles von Rechts wegen als
steuerlich legal, aber aus der Sicht eines Mannes mit gesundem Menschenverstand
durchaus als „nicht anständig“ einzustufen war. Man konnte Rückstellungen
bilden, die dann gar keine waren, konnte Kosten erzeugen und dann wieder im
nächsten Jahr, nach Bilanzierungsschluss, korrigieren, Gelder zwischen eigenen
Firmen transferieren und nach Abzug diverser, doch recht erheblicher Kosten
dann wieder zurücküberweisen etc. etc.
Babtiste war ein
international anerkannter Finanzprofi, aber selbst er zog den Hut vor der
unglaublichen Raffinesse der finanziellen Transaktionen innerhalb der Malinger
Gruppe. Er bemerkte nach Tagen des Wühlens lakonisch: „JP, wenn diese Firma
jemals an die Börse geht, werde ich jeden Euro, den ich besitze und den
maximalen Kredit, den ich bekomme, allein in die Aktien von Malinger
investieren. Die können wirklich mit Geld umgehen!“ Aber er sagte auch an
mehreren Stellen: „JP, ich verstehe das nicht! Die Zahlen stimmen zwischendurch
irgendwie nicht. Es sind keine großen Abweichungen pro Einzeltransaktion, aber
es stimmt dennoch immer um ein bisschen nicht, und dann plötzlich wird alles
wieder korrigiert und am Ende stimmt wieder alles. Das ist total verrückt.
Irgendetwas übersehe ich hier, aber ich komme noch nicht drauf! Besorg mir noch
das und das und das ...“ Oder er sagte: „JP, ich muss da unbedingt einen
wirklich guten Freund zu Rate ziehen – keine Sorge, ich gebe ihm keinerlei
Informationen um was oder welche Firma es hier geht. Aber Frank E. ist sehr
schwer zu erreichen und hat unheimlich wenig Zeit. Er ist eine Koryphäe in Steuerfragen
und diesen Firmenverflechtungen und schuldet mir noch einen Gefallen.“ Tja, so
waren die vergangen Abende durchaus spannend, aber sehr trocken.
JP hätte ein feuchteres
Tina- oder Sandy- Abendprogramm durchaus vorgezogen. Felicitas wäre
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