Ohne Skrupel
mitspielt. Mein Vorschlag ist, dass Sie
möglichst rasch die Polizei informieren und wir Herrn Tozzi einige unwichtige
Dokumente als „Köder“ geben, um es ihm zu ermöglichen, Kopien anzufertigen. Die
Polizei beschattet den Mann dann bis zur Übergabe an „La Pulcinella“ und nimmt
beide fest. Ich habe noch zwei weitere Mikrokameras installieren lassen, weil
ich mich nicht auf die Polizei verlassen will und Beweise haben möchte.
Möglicherweise wird Herr Tozzi am Wochenende aktiv, vielleicht schon heute
Nacht. Haben Sie Zugang zu dem gesicherten Raum mit den Unterlagen zur Werkstoffentwicklung
und den Patenten?“ Nach einem längeren Telefonat mit Herrn Malinger Senior war
das Thema positiv erledigt.
JP stand nun in einem
Sicherheitsraum, vor einer Vielzahl von Ordnern – den gesammelten Werken der
Werkstoffentwicklung. Alois Huber, Leiter der Abteilung, und auch der alte Herr
Malinger waren trotz der Nachtzeit ebenfalls noch erschienen und wurden von Dr.
Drager detailliert informiert. Die Kameras waren inzwischen funktionsbereit.
Alois Huber wählte zwei der Ordner mit nicht funktionierenden und daher
eingestellten Projekten eines neuartigen Plastikwerkstoffes und einer
speziellen Gummimischung, Er entfernte die Seiten bezüglich Stilllegung –
fertig war der Köder für Hausmeister Marco Tozzi. Sicherheitshalber änderten
Alois Huber und JP noch den Code des elektronischen Zugangssicherungsschlosses
an der Tür zum Lagerraum für Werkstoffentwicklungen.
Die zwei dicken Ordner,
außen gekennzeichnet mit „Streng Geheim“, wurden nun mit Bedacht auf einem der
Schränke – wie zufällig beim Arbeiten dort vergessen – gut sichtbar im
Aufnahmebereich der Kameras abgelegt. Es war schon weit nach Mitternacht, als
man sich Gute Nacht wünschte und nach Hause fuhr. Für JP war dies eine höchst
spannende Angelegenheit und er konnte kaum schlafen. Er fühlte sich wie James
Bond bei einer seiner geheimen Missionen, unterwegs im Dienste Seiner Majestät,
wie passend. Im Auftrag Seiner Majestät Dr. Dragon! JP stützte sich im Moment
ausschließlich auf Vermutungen und sein Bauchgefühl. Innerlich war er sich
seiner Sache viel weniger sicher, als er nach außen hin vermittelte. Was, wenn
Tozzi gar nichts mit dieser Werksspionage zu tun hatte? JP würde sich blamieren
bis auf die Knochen.
10. Januar 2010,
Malinger IT-Container
Bereits um 5:00 Uhr morgens war JP
wieder wach und fuhr direkt ins Büro. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und
sah sich die Aufzeichnungen der neuen Kameras aus der vergangenen Nacht an.
Nichts! Er wurde nun schon sehr nervös, ob er nicht womöglich einen
Unschuldigen verdächtigte und den ganzen Zinnober völlig unnötig veranstaltet
hatte. Um 6:15 Uhr sah er den schwarzen Porsche von Dr. Drager über den
Werkshof fahren. Sie konnte wohl auch nicht zu Hause sitzen und Däumchen
drehen. Kurz darauf kam sie in die IT-Abteilung. Sie trug heute enge Jeans, ein
schlichtes, fliederfarbenes T-Shirt, allerdings aus Seide mit der Aufschrift „I
do what I have to do.“, teilweise verdeckt durch eine kurze, freche Jacke in
kräftigem Lila. Dazu braune Cowboystiefel mit Stickereien. Ihre Haare waren
auch ein wenig anders – irgendwie kecker – kurz und schlampig trocken geföhnt.
JP hatte Dr. Drager
bisher ausschließlich in Businesskleidung gesehen und so leger verwandelt
beinahe nicht wieder erkannt. JP gefiel, was er sah! Jedenfalls versetzte es
ihm einen elektrischen Schlag der Faszination – diese Frau war auch als FRAU
einfach klasse. Dr. Drager knurrte ein kurzes „Moin, Moin, wusste doch, dass
Sie jetzt schon hier sein würden.“ Sie hatte eine Zeitung, eine Thermoskanne
mit Kaffee und ein paar Butterbrezeln und Croissants unter dem Arm. Wie
selbstverständlich setzte Sie sich JP gegenüber, schenkte beiden eine Tasse
Kaffee ein, verteilte die Brezeln auf Servietten, biss genüsslich in ein
Croissant, lehnte sich zurück und legte tatsächlich ihre wohlgeformten Beine mit
den bestickten Cowboystiefeln direkt auf den Tisch! Dann begann sie in der
mitgebrachten Süddeutschen Zeitung zu lesen.
Wie cool war das denn! JP
fehlten schlichtweg die Worte! Die Chefin von über 4.000 Mitarbeitern legte
ihre Beine auf den Schreibtisch und las während einer hochspannenden
Überwachung ganz cool und entspannt die Zeitung! Sensationell diese Frau! Kein
großes Gelaber, keine Erklärung, kein Gejammer über die frühe Uhrzeit am
Samstag: Warten war nun angesagt und genau dies tat sie
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