Ohne Skrupel
Handynummer
wurde eine SMS mit folgendem Text geschickt: „Verkaufe sofort 50 Nelken.“ Die
Antwort ließ nicht lange auf sich warten und war ebenso kurz: „Kaufe“
Dann wurden 58 Sekunden
telefoniert und die Details besprochen. Fotos, Aufenthaltsort und 50 %
Anzahlung waren ab morgen im geheimen Briefkasten hinterlegt.
***
„La Pulcinella“ saß in seinem
Krankenbett. Irgendwie hatten sie ihn wiedermal zusammengeflickt. Es war nicht
seine erste Schussverletzung. Eine Kugel im rechten Arm, eine im rechten Bein
und ein Durchschuss an der linken Bauch-Außenseite – zum Glück ohne gröbere
innere Verletzungen der Organe. Aber all das interessierte ihn nicht wirklich!
Rosanna war tot!
Ihretwegen war er ausgebrochen, ihretwegen hatte er die letzten Jahre immer
weitergemacht und für sie hatte er immer das viele Geld verdient. Mit ihr
wollte er abhauen und eine Familie gründen, er wollte Kinder, zwei Jungs und
ein Mädchen. Sie hatte ihr Drogenproblem inzwischen bewältigt, sie war clean
und nun wollte auch sie unbedingt Kinder, mit ihm! Der Name „La Pulcinella“
sollte innerhalb der Camorra für immer verschwinden und einem neuen Namen Platz
machen – Carla und Antonio Lombardi – dies waren die Namen auf den falschen
Pässen und unter diesem Namen hätten sie ein neues Leben, ein glückliches
Leben, in Chile anfangen können. Eine kleine Hazienda mit ein paar Rindern in
Feuerland und in ein paar Jahren hätte ihn auch die Camorra vergessen und er
hätte all den Mist und seine üble Vergangenheit begraben und hinter sich lassen
können. Für immer! Rosanna wollte nichts von seiner Vergangenheit wissen, ihn
aber immer wieder davon abbringen. Aber sie brauchte immer so viel Geld für
ihre verdammte Sucht. Da war „Wegschauen“ der einfachste Weg.
Seit sie nun clean war,
war das anders geworden: Sie wollte all den Mist nicht mehr. Sie wollte, dass
er aufhörte. Sie wollte mit ihm fliehen, weit weg – Chile, Hazienda, Kinder!
Das war zuerst nur ihre Idee, aber diese Idee war mittlerweile auch zu seiner
fixen Vision geworden. Dafür hatte er in dem vergangenen Jahr alles vorbereitet
– Pässe, Geld, Kauf der Immobilie etc. Er hatte gedealt, erpresst, gemordet –
sofern die Kasse stimmte, war er immer mit dabei. Die Sache mit den geheimen
Unterlagen von dieser deutschen Firma sollte sein letzter Coup sein. Die
35.000,- Euro waren ein willkommener Beitrag für seine Reisekasse nach Chile.
Aber nun war Rosanna tot! „La Pulcinella“ war zutiefst verzweifelt. Er wusste,
Aussagen bei der Polizei würde Rosanna wohl gefallen, wenngleich es seinen
sicheren Tod bedeutete, sofern er nicht das Land verlassen konnte. Aber der Tod
erschien ihm im Moment sehr verlockend.
„Oh Tod, Du süßer
Erlöser, nimmst Schmerz und Pein!
Verdunkle den Raum, füg
Wund mir zu und nähre mich mit Melancholie und tiefer Qual.“
Wo hatte er dies bloß aufgeschnappt –
Gedanken dieser Art schossen ihm durch den Kopf.
Der Staatsanwalt hatte
ihm das Recht zur Ausreise in Aussicht gestellt, sofern seine Informationen
interessant genug wären. Aber genau da lag das Problem! „La Pulcinella“ hatte
wenig Brisantes anzubieten. Schon gar nicht zu der Sache mit den Unterlagen
dieser deutschen Firma. Er hatte den Auftrag erhalten, das Material zu
beschaffen, und hatte dafür diesen Hausmeister-Trottel erpresst. Er hatte
gedroht, dem kranken Kind sein steriles Zelt wegzunehmen und es damit
letztendlich umzubringen. Er kannte Tozzi noch aus Neapel und diese
Möglichkeit, einen Anderen die Drecksarbeit erledigen zu lassen und nicht mal
was dafür bezahlen zu müssen, war einfach zu verlockend gewesen.
Dennoch: Er hätte es
lieber selbst machen sollen. Tozzi hatte es verpatzt und ihm die Polizei auf
den Hals gehetzt. Aber ganz ehrlich: Er wusste weder, welcher Art das Material
war, wofür es gut sein sollte und wer es oder gar wofür es verwendet werden
sollte.
Und mit all den anderen
Dingen im Zusammenhang mit der Camorra war es nicht viel besser. „La
Pulcinella“ hatte den Ruf eines „harten Hundes“, der nie jemanden verpfeift!
Aber in Wahrheit war der harte Hunde nur eine Maskerade und gut gespielt - „La
Pulcinella“ konnte gar niemanden Wichtigen verpfeifen, weil er nichts Wichtiges
wusste und selbst vollkommen unwichtig und entbehrlich war.
„Capo Pulcinella“, das
war er nur für die ganz unterste Riege in der Nahrungskette – innerhalb der
Organisation war er nur der Mann fürs Grobe, für die dreckigen,
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