Ohne Skrupel
gut bezahlten
Jobs – aber nicht viel wichtiger als eine räudige Katze auf den Straßen
Neapels. Das bisschen, das er tatsächlich über die Organisation der Camorra
wusste, würde nicht reichen, um dafür eine Flasche Rotwein einzutauschen,
geschweige denn, um ihm freies Geleit ins Ausland zu erkaufen.
„La Pulcinella“ blickte
von seinem Krankenbett durch die vergitterten Fenster auf mehrere Flachdächer
gegenüberliegender Bürogebäude. Die Wintersonne des späten Nachmittages schien
ihm ins Gesicht und blendete ihn. Die Situation war übel! Er wollte und hätte
gerne mehr verraten, konnte aber nicht, weil er nichts anzubieten hatte.
Interessiert nahm er ein
kurzes Blitzen auf einem der Flachdächer gegenüber wahr. Irgendwie registrierte
er noch ein kleines, kreisrundes Loch im Fenster. Dann war es schlagartig
finster.
„La Pulcinella“ – der
Name innerhalb der Camorra war verschwunden! Sein Hirn und Schädelteile klebten
breitflächig an der Wand und folgten brutal dem Gesetz der Schwerkraft und
tropften langsam nach unten, in Richtung Fußboden ...
***
Der sportliche, große Mann packte mit
professionellen und flinken Griffen sein Scharfschützengewehr mit Schalldämpfer
und dem Präzessionsfernrohr in die längliche, schwarze Sporttasche. Ohne Hast
stieg er in den wartenden Fahrstuhl, dessen Tür – durch ein Klebeband über dem
Lichtstrahl im Türrahmen – sich bis jetzt nicht hatten schließen können. Er
fuhr geradewegs in die Tiefgarage und legte seine Sporttasche in den Kofferraum
des gestohlenen Autos. Niemand war ihm begegnet. Dann ging er gemächlichen
Schrittes in das Erdgeschoss und verließ das Gebäude durch den Haupteingang in
Richtung U-Bahn. Die ersten Sirenen von Einsatzfahrzeugen waren aus der Ferne
zu hören.
Das Angebot war klar:
„Verkaufe sofort 50 Nelken.“ „Nelken“ war das Codewort für Ermordung, die Zahl
davor für Euro in Tausendern. „Verkauf“ war eine Art Ausschreibung. Also im
Klartext: „Biete 50.000 € für einen sofort auszuführenden Mord.“ Das war der
Deal. Die Unterlagen im geheimen Briefkasten waren detailliert und hilfreich.
Er hatte den Job angenommen und den Job erledigt. Kurz vor der U-Bahn zückte er
sein Handy und verschickte eine SMS an die Nummer des Prepaid-Handys:
„Erledigt“.
Den gestohlenen Wagen
holte soeben ein Junkie gegen ein Trinkgeld aus der Tiefgarage ab. Den
Autoschlüssel hatte er ihm auf dem Weg zur U-Bahn zugesteckt. Timing war alles.
Die Gummihandschuhe wurden in zwei verschiedenen Müllbehältern in der U-Bahn
Station entsorgt. Mit dem Junkie in dem gestohlenen Auto war er in genau 30
Minuten einige U-Bahn Stationen entfernt verabredet. Das Scharfschützengewehr
würde er später aus dem Kofferraum entnehmen und dann den Wagen im tiefsten
Wald in Brand stecken. Die vollen Benzinkanister dafür lagen im Kofferraum
seines eigenen Wagens, der bereits dort parkte. Eventuelle Beweise würde dann
auch das beste polizeiliche Labor keine mehr finden.
Präzision und
Vorausplanung waren das Geschick des Profis. Und Profi, das war er durch und
durch.
Ende Januar 2010
Der Malinger Autoteile GmbH & Co.
KG ging es wirtschaftlich wieder langsam besser. Die allgemeine wirtschaftliche
Lage in Europa hatte sich verbessert, damit hatte die Auftragslage angezogen
und die Vorausschau für die erste Jahreshälfte war vielversprechend. Das
Management verlegte sich wieder von Krisenmanagement in Richtung „Business as
Usual“ und die Mitarbeiter wurden wieder etwas entspannter und weniger
verkrampft.
Die IT-Abteilung der
Malinger-Zentrale ertrank förmlich in Arbeit, da plötzlich wieder reichlich
Budget für Neuanschaffungen zur Verfügung standen, jeder Bereich seine Projekte
aus der kürzlich durchlebten Krise angesammelt hatte und nun mit Priorität I
erledigt sehen wollte. Alles war wichtig, aber jeder meinte, sein Projekt sei
das bei Weitem wichtigste. Franz Korber, als Chef der IT-Abteilung für den
gesamten Konzern verantwortlich, sprintete nur noch von einem Termin zum
nächsten und hatte keine Zeit für abteilungsinterne Belange. Ein 16-Stunden-Tag
war mittlerweile ganz normal für Franz und selbst der reichte meist nicht aus.
Viele Dinge, die bisher nur er erledigen konnte, landeten mangels seiner
Präsenz letztendlich auf dem Tisch von JP. Somit war JP, trotz seiner Jugend
und ohne sein bewusstes Zutun oder seinen Wunsch, automatisch zur Nummer 2 in
der IT-Abteilung geworden. Sein Arbeitspensum war gewaltig und
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