mit.
Kurz vor 10:00 Uhr saß
Fiodr im Warteraum des Anwalts und musste sich gewaltig konzentrieren, um nicht
vom Stuhl zu fallen. Stehen zu bleiben war völlig undenkbar, denn „sschtehn
ging gar nich määhr...“ Der Vodka hatte seine beruhingende Wirkung entfaltet
und Fiodr war alles egal, völlig egal. In sicherer Erwartung, zumindest drei
seiner vier Partner anzutreffen, schwankte Fiodr in das Anwaltsbüro. Aber außer
ihm und dem Anwalt war niemand anwesend. Es würde auch niemand mehr kommen,
versicherte der Anwalt. Er habe das Mandat zur Unterzeichnung. Die Partner
würden später ihre Unterschriften nachreichen. Sie legten keinen Wert darauf,
Herrn Youl nochmals zu begegnen. Fiodr fühlte sich behandelt wie ein Stück
Scheiße! Nicht einmal der Mühe Wert war es ihnen zu kommen. „Haben mir die
Firma abgegaunert und haben dann nicht mal den Arsch in der Hose, persönlich
die Verträge zur Übernahme meiner 26%-Anteile zu unterzeichnen!“, polterte
Fiodr unbeherrscht los. Der heilige Zorn stieg in Fiodr hoch. Der Anwalt zuckte
vor Schrecken vor ihm zurück und war total eingeschüchtert. So gut er noch
konnte, überflog Fiodr den Vertrag und wollte schon unterzeichnen. Da hatte er
noch einen Geistesblitz.
Er bestand auf der
sofortigen Überweisung der vereinbarten 1 Million Euro, und zwar VOR seiner
Unterschrift. Fiodr war derart laut in seiner Forderung, dass er auch im
hintersten Winkel der Kanzlei ganz sicher noch zu hören war. Der Anwalt war
sehr irritiert. Hektisch führte er ein paar Telefonate im Nebenraum. Dann kam
er zurück und nickte. Fiodr wartete ca. eine Stunde, bis er bei seiner
Schweizer Bank anrufen und sich die Gutschrift des vereinbarten Betrages auf
dem Konto seiner Frau bestätigen lassen konnte.
Die mitgebrachte Flasche
Wodka war nur noch leere Dekoration. Ihr Inhalt war inzwischen in Fiodrs Kehle
verschwunden. Unter Aufbietung aller Konzentration schwankte Fiodr wieder ins
Anwaltszimmer und unterzeichnete den Vertrag. Daraufhin beschimpfte er den
Anwalt lautstark und unflätig. Der verängstigte Mann schnappte nur schnell die
Vertragsunterlagen und verließ fluchtartig den Raum. Fiodr verließ die
Anwaltskanzlei, voll wie eine Haubitze, und suchte arg schwankenden Schrittes
nach der nächsten Bar.
Die Wut kochte wieder in
Fiodr hoch. Diese scheißunhöflichen Anwälte hatten nichts Gescheites zum
Trinken und machten einen so scheißdurstig. Er hatte jetzt eine Menge Kohle auf
seinem Schweizer Konto und nun wollte er sich noch eine Scheiß-Flasche Wodka in
dieser Scheiß-Bar auf der anderen Straßenseite gönnen. Und so machte Fiodr
einen großen Schritt um die breite Straße zu überqueren und sah in seinem
Zustand nicht den LKW, der auf ihn zufuhr. Der Fahrer des LKW sah Fiodr. Aber
viel zu spät! Viel zu spät zum Ausweichen oder Bremsen ... viel zu spät um
Fiodrs Leben zu retten.
Fiodr Youl wollte leben
und seine Frist auf Erden ein bisschen verlängern. Seine Bitte wurde erhört,
seine Frist wurde verlängert – verlängert für einen Wimpernschlag.
9. März 2010,
München Malinger IT-Container
Heute, Dienstag, geht es schon wieder
so halbwegs. Gestern, Montag, war JP völlig neben der Spur! Er konnte kaum die
Augen offen halten und sah furchtbar aus. Das war der Sandy-Effekt. Das
Wochenende mit ihr hatte ihn wirklich geschafft. Gott sei Dank war sein Chef,
Franz Korber, gestern außer Haus. So kurz nach der Beförderung so ein
Leistungstief vor dem Protegé, das wär nicht so prickelnd gewesen. Sandy musste
zum Glück am Montag Nachmittag vorzeitig nach London abreisen – irgendwas war
mit ihrer Schwester. JP war heilfroh, er fiel voll bekleidet auf sein Bett und
wurde erst am Dienstagmorgen wieder wach. Und das nur, weil die Blase so
furchtbar drückte. Dazwischen: tiefste Dunkelheit. Er war so weggebeamt und
hatte eine solche Mattscheibe in der Birne, dass er nach dem Aufstehen versehentlich
in den Einbauschrank marschierte, obwohl er dringend aufs Klo musste. Hätte
gerade noch gefehlt, dass er da reinpinkelte – aber zu dieser peinlichen Panne
kam es zum Glück nicht. Er hatte seinen Penis zwar schon in der Hand, aber die
schmerzende Spitze hatte ihn gerade noch wachgerüttelt.
Mit den geplanten
Datenauswertungen war er keinen Schritt weiter. Er musste noch ein paar Systeme
hacken und mehr Daten horten. Dann konnte er mit dem Auswerten beginnen – aber
nicht hier im Office.
Mail von Mischa
Freudenthaler an
[email protected]: „Davide, ruf mich heute an,