Ohne Skrupel
nicht
etwa doch vorschnell diese Beförderung angenommen hatte. Mehr Geld ist schön
und gut, aber wenn man keine Zeit zum Ausgeben hatte, was sollte man dann
damit? Seine Prioritäten hatten sich verändert. Er war getrieben von Terminen,
die von anderen vorgegeben waren, und nur noch reaktiv. Ständig hing er
hinterher und bediente zuerst den, der am lautesten schrie, den größten Nutzen
bringen konnte oder dessen Arbeit am schnellsten zu erledigen war. Seine
ToDo-Liste wurde und wurde nicht kürzer. War eine Sache erledigt, kamen
sogleich zwei neue hinzu. Sein „privates Ermittlungsprojekt“ im Hause Malinger
hatte er begonnen, weil er ein neugieriger und verspielter Mensch war, und
außerdem auch, weil er zwischendurch Zeit dafür hatte. Diese fehlte nun für
solche Spielereien und Hobbys – keine Zeit, keine Energie, keine Lust. Vorerst
war es aufgeschoben.
Was JP Santa Cruz jedoch
begann, das zog er auch durch! Es war schon wieder Freitag, 20:3O Uhr, und nun
wollte sich JP wieder seinem „privaten Ermittlungsprojekt“ widmen, d. h.
zur Entspannung ein bisschen nach Informationen jagen. Endlich waren die
Kollegen alle weg, das Büro leer. Der Putztrupp begann schon mit dem
Staubsaugen im hinteren Officebereich. JP verzog sich ins Reich der „Big
Mamas“, wie alle in der IT-Abteilung die großen IBM-Server liebevoll nannten,
und schloss die Türe hinter sich. Es war nicht wirklich der gemütlichste Raum
im Gebäude – keine Fenster, ein ständiges Brummen der Lüfter, sehr kühle Luft
aus der Klimaanlage. Aber der Raum hatte nur eine Eingangstür und die konnte
man einfach beobachten und „zufällig“ den einzigen Stuhl dieses Raumes direkt
vor der Türe „parken“, damit das unverhoffte Eintreten erschwert wurde und Zeit
für das Verwischen von Spuren verschaffte. In einer Ecke waren zwei
Mini-Not-Arbeitsplätze: Eingabeterminals mit Tastaturen. Die „Big Mamas“ wurden
ansonsten weitestgehend vom Office aus bedient und programmiert. Ja, was suchte
er eigentlich? Er rief sich sein Telefonat mit Cousin Mischa Freudenthaler vom
vergangenen Dienstag in Erinnerung:
„Also pass auf Davide,
die tschechische Firma ist in Eurer Branche tätig, irgendwie Spritzteile für
Armaturen, Lenkräder-Beschäumung, Dämmstoffe und so was. Über 400 Mitarbeiter.
Sie sind vor gut drei Jahren von irgendeinem Investorenkonsortium gekauft
worden. Ein Alteigentümer ist wohl auch noch mit über 25 % beteiligt.
Malinger Deutschland hat Appetit auf diese Firma. Ich habe viel recherchiert.
Ich soll ziemlich umfassende Daten-Modulations-Programme liefern. Wir haben so
etwas schon zweimal für eine Versicherung gemacht, vielleicht bin ich deshalb
im Spiel. Wir haben das Meiste schon fertig und könnten in ein bis zwei Monaten
alles liefern. Nach meinem Verständnis OK, soweit Business as usual .“
„Nimmst bzw. kriegst Du den Auftrag, Mischa?“ „Kriegen würde ich ihn ganz
sicher, aber ich weiß noch nicht, ob ich ihn will.“ „Hey Mischa, Kohle ist
Kohle ...“ „Ja, wem sagst Du das! Aber ich habe Familie, meine Firma Jericho
Computing Services.... das will ich nicht riskieren. Ich werde wahrscheinlich
so eine Frickel-Bude in Indien vorschieben. Wenn die gegen die Wand fährt,
können wir in zwei Tagen eine neue aufmachen.“ JP wurde hellhörig. Einen wohl
sicheren Auftrag ablehnen – das war nicht Mischas Art. „Um welche Summe geht
es, Mischa?“ „Mindestens 950.000 Dollar, US ...“ „Mischa, das ist verdammt viel
Geld! Damit kannst Du Deine gesamten Personalkosten fast ein Jahr bezahlen und
Deiner Rachel noch ein paar Klunkerchen kaufen! Rück raus, was ist los?“
„Davide, Du willst es nicht wissen....“ „Doch Mischa, ich bestehe darauf! Wir
sind doch eine Familie!“
Das war unfair! Dieses
Argument würde Mischa in die Knie zwingen. Es entstand eine peinliche Pause.
„Davide, Du bist ein Scheißkerl! Mir so zu kommen! Ok, ich gebe Dir ein paar
Informationen. Aber halt mich da raus, verstehst Du! Wir haben nie telefoniert
und ich habe Dir nie etwas gesagt, egal wer mich fragt, ich streite alles ab.“
„Mischa, Du kannst Dich auf mich verlassen. Ich schwöre, Du bleibst draußen.
Was ist los?“, fragte JP. „Also, die schmücken die Braut um sie zu verkaufen,
OK? Aber diese Braut ist so derart hässlich, dass sie im Moment beim besten
Willen keiner für gutes Geld kaufen würde. Da frage ich mich, warum bietet man mir
so viel Geld für diesen Job? Zu VIEL Geld! Und warum sucht man sich
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