Ohne Skrupel
als die Deutschen! Er wählte schon immer
die CDU/CSU, las immer den politischen Teil der Tageszeitung und bekundete
lautstark seinen Unmut, wenn die „Roten, Grünen oder Gelben“ seiner Meinung
nach Mist bauten. Opa Giovanni war außerdem durch und durch Nationalist. Er
fühlte sich als Deutaliener und er hasste alle Ausländer! Er schimpfte auf die
Türken, Russen, Polen, Ungarn, Holländer, Engländer, egal. Jeder, der uns
„ordentliche Deudschä“ den Job, die Rente, die Sozialhilfe oder den Platz im
Krankenhaus, in der Schule, dem Kindergarten oder die Luft zum Atmen „wegnahm“,
war für ihn nur „Gsoxe“. Ein Beispiel: „Da lebd das Gsoxe 20 Jarä inde schöne Deutschelande,
nimmd unsere Männa die Arbeide wege und kanne dann nich mal richtig Deutsche
spräche.“ Wenn dann Einer: „blöder Itaker, kannst ja selber nicht richtig
Deutsch“ zu ihm sagte und ihm die Unlogik seiner Sichtweise klarmachen wollte,
war das Gespräch sofort beendet. Diskussionen auf diesem dilettantischen Niveau
führte er prinzipiell nicht. „Iche diskudiere nich mit Debbe, capisce.“ Ja, ja,
Opa Giovanni hatte da seine Prinzipien ...
Nun zum kulinarischen
Teil: Die Vorbereitung für die Soße brauchte am längsten, deshalb musste man
damit logischerweise als Erstes beginnen: Frische Frühlingszwiebelchen klein
schneiden, eine Lauchstange halbieren und quer in dünne Streifen schneiden, ein
bisschen Bauchspeck in Würfelchen schneiden, etwas Petersilie hacken („Nur die
gladde – nie der gegreuselde Pedersielie, capisce!“).
Wasser kochen,
italienische Hartweizengrieß-Spaghetti in das kochende, stark gesalzene Wasser
geben und je nach Dicke der Nudeln kochen – al dente (bissfest), das
„isse MOLTO importante, capisce.“ In der Zwischenzeit in der Pfanne Butter und
ein bisschen Öl erhitzen, geschnittene Zwiebeln und Lauchstreifen anschwitzen,
den Speck dazu, mit Salz und gemahlenem Pfeffer ordentlich würzen, einen guten
Schuss Kochsahne unterheben, einen kleinen Fingerhut milden Whisky dazu, die
gehackte Petersilie darüber und ganz zum Schluss die Pfanne vom Herd nehmen,
ein Schälchen kleine Krabben („Nimme nur di gude scampi, capisce!“) sanft
untermischen. Zuerst die Spaghetti auf den Teller, die Soße oben drauf geben,
großzügig frisch gemahlenen Pfeffer drüber und dann während des Essens mit den
Spaghetti vermischen. Mai
Parmigiano! “Nie, nixe Parmesano, pasde nich su Fishe ode tsu scampi, capisce Buon
Appetito!”
Und den hatte JP heute
tatsächlich! Der feine Duft des angebratenen Lauchs, der Zwiebeln und des
Specks hatte ihn noch hungriger gemacht. Bei diesem Gericht hatte er kein Maß
und aß jedes Mal viel mehr, als er eigentlich Platz im Bauch hatte. Auch
diesmal hatte er eine unglaubliche 500g-Packung Spaghetti ganz alleine
verdrückt und von der Soße war kein Fitzelchen mehr übrig. Dazu gab es eine
Flasche Gran Delmio, ein Gran Reserva aus der La Mancha in Spanien, mit soliden
13,5 % Alkohol und vollmundig erdigem Geschmack. Die Flasche war
inzwischen leer und das zweite Glas Grappa Vecchio Muscato von Giaccomo Polli,
Bassano del Grappa, Italien, war auch schon stark an Inhalt reduziert. Ein
kleines Eis wäre jetzt noch gut, so etwas rutscht immer noch irgendwie
dazwischen, aber leider hatte der Chef des „Ristorante Il JPs“ wohl vergessen,
derart Leckeres einzukaufen. Also entfällt dieser Menüteil ersatzlos.
Mittlerweile war es 22:00 Uhr. Seine Zunge war etwas schwer, aber es war Zeit
einen Anruf über Skype nach Tel Aviv zu machen.
Cousin Mischa sollte
nicht warten ... Und JP war sehr neugierig. It´s time to rock!
12. März 2010,
München
JPs Leben hatte sich verändert. Die
Arbeitslast war deutlich mehr geworden, Überstunden definitiv notwendig. Der
neue Job machte wirklich Spaß, aber seinen vorherigen musste er ja auch noch
irgendwie bewältigen, bis „der Neue“ am 1. Mai anfing. In den vergangenen
Wochen war JP nur selten vor 23:00 Uhr zu Hause und meistens vor 7:30 Uhr der
Erste im Office. Seine Arbeit hatte sich verändert. Früher als
Datenbankadministrator hatte er ein regelmäßiges, internes Abteilungsmeeting
pro Woche und gelegentlich Meetings mit externen Consultants oder Malinger
Abteilungsleitern, wenn Sie spezielle Wünsche und Projekte besprechen wollten.
Diese vergangene Woche hatte er jeden Tag mindestens zwei Meetings! Mit Vor-
und Nachbearbeitungsbedarf – wie bitte sollte man da noch seine anderen
Arbeiten erledigen? Fuck!
Er haderte, ob er
Weitere Kostenlose Bücher