Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
reinjagen lassen. Und dann hat sich an einer Einstichstelle auch noch eine schlimme Infektion gebildet. Der ganze Hintern ist angeschwollen. Ich konnte ein paar Tage nur auf dem Bauch liegen.“
„Danke für die aufmunternden Worte, Herr …“, wollte sich Tannenberg bedanken, kam aber nicht dazu, den Satz zu vollenden, weil Geiger, der mit einem roten Tablett vor dem Bauch gerade das Sekretariat betrat, dazwischenfunkte.
„Na ja, wenn’s hinten wehtut, soll man eben auch vorne aufhören.“
„Mensch Geiger, du bist einfach ein unglaublicher Primitivling!“, schimpfte Sabrina kopfschüttelnd.
Für einen Augenblick herrschte absolute Stille im Raum.
„Das ging aber schnell!“, sagte Petra Flockerzie und nahm Geiger das Serviertablett aus der Hand. Anschließend stellte sie es neben den Elektrokocher, schöpfte nacheinander die sechs geliehenen und den eigenen Teller mit Kohlsuppe voll, brachte sie an den Besuchertisch und setzte sich zu ihren Kollegen. „Man kann ja auch ruhig mal was Vegetarisches essen, gell?“
„Klar, Flocke!“, antwortete Kriminalhauptmeister Geiger. „Ich zum Beispiel esse sehr gern vegetarisch, vor allem wenn ein gutes Stück Fleisch dabei ist!“
Niemand verspürte ein dringliches Bedürfnis, diesen humoristischen Einwurf zu kommentieren.
Dr. Schönthaler war der erste, der zwischen zwei Löffelgängen die Stimme erhob: „Sag mal, Wolf, soll ich dir denn nicht endlich mal ein hoch dosiertes Pülverchen zusammenmixen, das du dann diesem lieben kleinen Tierchen mit dem treudoofen Dackelblick unter sein Premium-Futter mischst? Dann hast du doch endlich dein Hundeproblem ein für alle Mal gelöst!“
„Danke für das interessante Angebot. Da komm ich bestimmt demnächst mal darauf zurück“, entgegnete Tannenberg lachend und ließ einen kühlenden Luftstrom über den dampfenden Suppenlöffel streichen. „Aber zur Zeit haben wir ja wirklich ganz andere Probleme. – Hast du eigentlich bei dem zweiten Toten auch Spuren dieses Narkotikums gefunden? Ist es etwa wieder dasselbe, von dem du behauptet hast, dass es häufig in der Tiermedizin eingesetzt wird?“
„Hmh, was riecht denn hier so abartig gut?“, fragte plötzlich Karl Mertel, der gerade die Diensträume des K1 betrat.
„Kohlsuppe“, löste Petra Flockerzie umgehend das Rätsel auf.
„Ach, der Herr Ober-Spurenschnüffler!“, begrüßte ihn der Leiter des K1. „Geht doch nichts über eine gute Nase! Auch schon da?“
„Ja, wie man sieht. Im Gegensatz zu euch hab ich nämlich was zu tun. Und kann mich nicht einfach hinsetzen und Suppe essen.“
„Doch du kannst! Komm, setz dich mal zu uns!“, entgegnete Tannenberg, erhob sich von seinem Platz, ging mit seinem restlos geleerten Teller zum Handwaschbecken, spülte ihn und den von ihm benutzten Löffel mit heißem Wasser ab, schlenderte zu Mertel, der inzwischen auf Tannenbergs Stuhl Platz genommen hatte, schöpfte ihm in den unabgetrockneten Teller eine gehörige Portion Kohlsuppe und stellte sie direkt vor ihn auf den braunen Resopaltisch.
„Guten Appetit, Herr Kollege!“, sagte er freundlich, bevor er sich wieder an die Runde seiner versammelten Mitarbeiter wandte: „Wo waren wir stehen geblieben?“
„Du hattest mich gerade gefragt, ob es sich bei dem Medikament, mit dem man den zweiten Toten betäubt hat, um dasselbe Zeug gehandelt hat, wie bei dem Ersten. Und hier kommt die Antwort: Ja, es ist genau dasselbe Narkotikum verwendet worden.“
„Dann war der ja wieder nur betäubt, als man ihn vor den Zug geworfen hat! Das gibt’s ja gar nicht!“
„Das gibt’s wirklich nicht, Fouquet!“, stimmte Kriminalhauptmeister Geiger zu. „Der war ja dann gar nicht tot, als man ihn ermordet hat.“
Diesen Satz mussten die Anwesenden erst einmal verdauen.
Nach einer angemessenen Karenzzeit nahm der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission höchstpersönlich Stellung zu dieser bilderbuchmäßigen Paradoxie: „Ist doch wohl auch logisch, Geiger, oder?“
„Was, Chef?“
„Na ja, wenn er bereits tot gewesen wäre, hätte man ihn ja wohl auch nicht mehr ermorden können.“
Geiger krauste die Stirn.
„Komm, vergiss es!“, meinte Tannenberg und winkte ab.
„Aber das ist doch schrecklich!“, warf Sabrina Schauß mit glaubhafter Betroffenheit ein. „Die beiden Männer haben dann ja vielleicht alles mitgekriegt. Doktor, können die etwa auch Schmerzen gespürt haben? Oder Angst?“
Dr. Schönthaler brummte, wiegte dabei den Kopf mehrmals zur
Weitere Kostenlose Bücher