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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Training erlernt hatte: Die linke Hand wird schwer und warm, der linke Unterarm wird schwer und warm, der ganze linke Arm wird schwer und warm usw.
    Wie mit einem empfindlichen Geigerzähler untersuchte er jeden Quadratzentimeter seines stillgelegten Körpers – eines bewegungsunfähigen menschlichen Organismus, der allerdings zu erstaunlich sensiblen Wahrnehmungen fähig war: Unter seinem Rücken spürte er plötzlich eine angenehm kühle, aber nicht zu kalte, leicht vibrierende Unterlage, die so weich war, dass er nirgendwo auch nur den Ansatz einer Druckstelle registrierte.
    Da ist aber auch noch etwas anderes: Irgendwer muss mir irgendwas in meinen Hintern geschoben haben!, stellte er plötzlich fest.
    Dieses Etwas verursachte das gleiche Gefühl, wie damals, als er noch ein kleiner Junge war und seine Mutter ihm ein fiebersenkendes Zäpfchen in den Po geschoben hatte.
    Darüber hinaus spürte er aber auch noch einen unangenehmeren, brennenden Schmerz. Dieser kam aus der Harnröhre und stammte von einem Blasenkatheter.
    Damit hatte er die unerfreuliche Erkundungsreise zu den über seinen Körper verteilten diversen Schmerzpunkte abgeschlossen und wandte sich nun einem weiteren Bereich der menschlichen Sinneswahrnehmung zu; einem, der ihm anscheinend uneingeschränkt zur Verfügung stand: dem Hören.
    Also: Ich liege in einem Krankenhaus. Wahrscheinlich auf der Intensivstation. Aber in welchem? In Kaiserslautern? In Landau? In Pirmasens? Ist ja auch egal! – Was kann ich hören?
    Er konzentrierte sich.
    Direkt hinter und über mir piepst es im Rhythmus meines Herzschlages. Links neben mir, etwa auf der Höhe meines Ellbogens, höre ich ein relativ lautes Blasebalggeräusch. Gut!
    Er schickte sein Gehör auf die andere Seite seines Körpers.
    Etwa auf gleicher Höhe, allerdings auf der anderen Seite, vernahm er ein leises, sirrendes Brummen, das er zwar spontan keinem medizinischen Gerät zuordnen konnte, das ihn aber stark an kleine Elektromotoren erinnerte, wie sie u.a. für batteriebetriebenes Badewannenspielzeug verwendet werden.
    Ein wenig weiter unten, etwa in der Nähe seines Kniegelenks, konnte er ein ähnliches Geräusch orten. Es unterschied sich nur unmerklich von dem anderen, allenfalls durch eine etwas tiefere Frequenz, und erzeugte bei ihm die Assoziation von summenden Insekten.
    Nachdem er bei seinen akustischen Wahrnehmungsversuchen die direkte Umgebung seines Körpers untersucht hatte, nahm er plötzlich die gleichen von ihm eben schon einmal gehörten Geräusche wahr, allerdings weitaus moderater – und von ungleichmäßigem Stöhnen und Röcheln unterbrochen.
    Dann bin ich ja gar nicht der einzige Patient auf dieser Intensivstation!, schlussfolgerte er mit einem kurzen Anflug von Erleichterung.
    Doch bereits wenige Sekunden später verflüchtigte sich dieser voreilige Euphorieausbruch wieder, denn zu deprimierend waren die animalischen, monotonen Geräusche, die ihm aus Richtung seines Leidensgenossen ans Ohr drangen.
    Verflucht! Warum kann ich mich denn nicht bewegen und nicht sprechen, wenn ich doch sonst alles kann?, fragte er sich verzweifelt. Unvermittelt wurde er von einer spontanen Eingebung heimgesucht: Das ist es: Die haben mich ins künstliche Koma versetzt! Genau! – Aber warum? Weil mein Körper sich in Ruhe erholen soll! – Aber von was?
    Er dachte unwillkürlich an einen Zeitungsartikel über einen Schauspieler, den man wegen seiner schweren Brandverletzungen einige Zeit ins künstliche Koma versetzt hatte.
    Oh Gott! Hab ich etwa schwere Verbrennungen? Oh nein, alles – alles, nur nicht das!, schrie er flehend, ohne dass ihn allerdings irgendjemand hätte hören können.
    Plötzlich öffnete sich mit einem satten Hydraulikgeräusch die elektrische Schiebetür des Krankenzimmers. Obwohl er die Person nicht sehen konnte, schloss er aus den schnellen Trippelschritten, dass es sich sehr wahrscheinlich um eine Frau handelte.
    Seine Anspannung steigerte sich.
    Aber die Person kam nicht zu ihm ans Bett, sondern begab sich ans Fenster, dessen rechten Flügel sie mit einer flinken Bewegung öffnete.
    „Eigentlich sollte ich das ja nicht tun, denn wir befinden uns schließlich auf einer Intensivstation, nicht wahr, Herr Heidenreich?“, sagte eine barsche, weibliche Stimme. „Aber wir sollten doch mal kurz lüften und diesen schrecklichen Mief hier rauslassen – finden Sie nicht auch? Schließlich sind Sie ja so ein kerngesunder, kraftstrotzender Naturbursch.“
    Kerngesunder

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