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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Naturbursch?
    „Und während Ihres Erholungsschlafs ist frische Luft ja besonders wichtig.“
    Erholungsschlaf – also doch! Gott sei Dank!
    „Oh nein!“, stöhnte Oberschwester Rebekka plötzlich und schloss umgehend das Fenster. „Der Bauer düngt mal wieder die Felder mit Gülle. Pfui Teufel!“
    Bauer? Gülle? Krankenhaus?, drängten sich bohrende Fragen in sein pulsierendes Gehirn. Wo bin ich denn eigentlich?
    Er konnte sich diesen Gedanken aber nicht näher zuwenden, zu dominant war die laute, raue Stimme, die er gerade aus Richtung der Tür vernahm:
    „Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn. Ich sehe, mein Sohn, dass du betest. Recht so, denn der Herr, unser Gott und Erlöser wird auch dein Flehen erhören. Denn der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem, der nach ihm fragt.“
    Dass ich bete? Wie kommen Sie denn darauf? – Ach so, weil man mir die Hände wie beim Beten auf den Bauch gelegt hat!
    „Guten Morgen, Herr Pfarrer!“
    „Einen gesegneten Guten Morgen, Oberschwester Rebekka.“
    Die Frau verließ den Raum.
    „Mein Sohn, höre die Losung des Tages: Jeremia 31,17: ›Es gibt noch Hoffnung für deine Zukunft, spricht der Herr.‹ Amen.“
    Der Pfarrer lauschte kurz dem Nachklang seiner wohlgeformten Worte, dann griff er in seine Jacke, zog einen silbernen Flachmann heraus und belohnte sich für seinen dramaturgisch gelungenen Auftritt mit einem kräftigen Schluck.
    „Der Herr schuf den gebrannten Wein, um des Pfarrers Freund zu sein“, sagte er und entließ anschließend einen kleinen Rülpser in die Freiheit. „Mein Sohn, kennst du eigentlich die Geschichte von Jona und dem Wal? Nein? – Wohlan, höre die Stimme des Herrn, der nun durch die Heilige Schrift zu dir spricht.“
    An dieser Stelle legte der Pfarrer eine erneute, diesmal aber etwas ausgedehntere Trinkpause ein.
    Und wieder bahnten sich alkoholgeschwängerte, säuerliche Magengase ihren Weg nach draußen.
    Dann fuhr er fort: „Jona hatte schweres Unrecht getan. Deshalb warf der Herr ihn ins Meer. Aber in seiner unendlichen Gnade ließ er einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, im Leibe des Fisches und sprach: Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme. Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Wasser umschlossen mich und gingen mir ans Leben, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich. Hilf, oh Herr, mein Gott! Errette mich! – Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.“
    Mit einem wahren Sturztrunk befeuchtete der Trost spendende Besucher seine ausgedörrte Kehle.
    „So, mein Sohn, ich denke, das reicht für heute. Ich muss jetzt auch los.“ Er senkte seine Stimme und flüsterte: „Ich muss mir nämlich noch meine Belohnung abholen. Denn selbst hier auf der Intensivstation, sorgt man sich um des Pfarrers Wohl; als kleiner Dank, als kleiner Lohn, beschenkt man ihn mit Alkohol.“ Dann wurde er wieder lauter: „Bedenke, die tröstenden Worte unseres Herrn und Erlösers:
›Wird es Nacht vor meinem Schritt,
dass ich keinen Ausgang wüsste
und mit ungewissem Tritt
ohne Licht verzagen müsste,
Christus ist mein Stab und Licht;
das ist meine Zuversicht.‹
    Maximilian Heidenreich war wieder allein.
    Bleierne Müdigkeit übermannte ihn. Kurz vor dem Wegdämmern hörte er plötzlich ein wohlbekanntes Geräusch – ein Geräusch das ihn schon oft an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte: Ein zwar relativ leises, monotones, aber trotzdem extrem nervendes Brummen. Hervorgerufen von einem Exemplar dieser völlig überflüssigen Kreaturen, deren einziger Lebenszweck darin zu bestehen schien, friedliebende, nach Ruhe lechzende Menschen vorsätzlich zu drangsalieren; diese Miniaturvampire, denen nichts heilig war, weder Beichtstühle, noch Totenlager, noch Intensivstationen.
    Bisher war er dieser allgegenwärtigen Gefahr stets mutig und entschlossen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln entgegengetreten, hatte den Feind so lange ausgespäht, bis es ihm schließlich möglich war, diesen gnadenlos zu vernichten.
    Nachdem die Schmeißfliege ihr nervenzerfetzendes Gebrumme kurzzeitig unterbrochen hatte, wahrscheinlich um ihre Flugakkus an irgendeiner Wand,

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