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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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frischen Lärchennadeln bis hin zu den eher bräunlichen Jungtrieben der Eichen reichte.
    Der Wald wurde immer dichter, die Wege schmäler und bewachsener, die Geräusche aus Richtung des Dorfes merklich gedämpfter.
    Plötzlich zerschnitt ein anschwellender, hochtönender Lärm die friedliche Stille. Tannenberg wusste sofort, wer dieses aufdringliche Geräusch nur verursacht haben konnte: Ein Motorradfahrer, der auf der nahegelegenen Bundesstraße mit seiner getunten Rennmaschine unterwegs war.
    Wie oft hab ich wohl schon auf der B 48 durch mein rücksichtsvolles Fahrverhalten einen schweren Unfall verhindert? Zwanzig, fünfzig Mal?, fragte er sich kopfschüttelnd.
    Er dachte an die vielen unbelehrbaren jugendlichen Raser, die ihm im Laufe der Jahre auf der Strecke nach Johanniskreuz bzw. im Wellbachtal in Kamikaze-Manier entgegengekommen waren oder ihn überholt hatten.
    Wie oft haben die mich und andere Verkehrsteilnehmer mit ihrem rücksichtslosen, aggressiven Fahrverhalten bis aufs Blut gereizt!, schimpfte er leise vor sich hin.
    In diesen unfallträchtigen Situationen hatte er sich häufig des Eindrucks nicht erwehren können, dass diese jungen Leute im Physikunterricht wohl nicht genügend aufgepasst hatten. Dies war nach seiner Meinung eine schlüssige Erklärung dafür, dass ihm die Motorradfahrer in Kurven derart riskant entgegenkamen: In im wahrsten Sinne des Wortes geradezu halsbrecherischer Art und Weise mit Körper und Maschine über der Mittellinie liegend. Wobei diese leichtsinnigen Hasardeure nicht die geringste Chance hatten, im Bedarfsfalle ihre Rennmaschinen aufzurichten und so einem anderen Fahrzeug auszuweichen.
    Unumstößliche physikalische Gesetzmäßigkeiten eben!, stellte er nüchtern fest.
    Wie heißt noch mal das Stück von BAP, das mit dem toten Biker?, fragte er sich einen Gedanken später. Irgendwas mit einer Leitplanke. – Genau: Ahn ’ner Leitplank!
    Tannenberg versuchte die Melodie zu summen. Als alter BAP-Fan konnte er sich daran noch recht gut erinnern. Nur der dazugehörige Text wollte ihm zunächst partout nicht mehr einfallen. Aber mit der Zeit schoben sich immer mehr einzelne Bruchstücke in sein Bewusstsein. Nach einigen Versuchen hatte er sein kleines Puzzle zusammengefügt:
›… Ne Knall, ne Schrei
Schluss – Aus – un alles vorbei!
Hühr die Sirene, et rüsch verbrannt.
Sinn Bloot vun einem, dä ich nit kannt.
Ne Krankenwaare, Polizei …
… En Ölfleck nur
hinger ’ner koote Bremsspur.
Met Sand kaschiert,
als wöhr he janix passiert …‹
    An weitere Textpassagen konnte er sich nicht mehr erinnern.
    Der schmale, von Heidelbeersträuchern und Heidekrautbüschen besäumte Pfad mündete nun in einen breiteren Wanderweg. Gedankenversunken folgte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission der Beschilderung in Richtung des Campingplatzes.
    Plötzlich hörte er hinter sich Geräusche.
    Er blieb stehen.
    Erschrocken wandte er sich um. – Und staunte.
    Etwas Derartiges hatte er noch nie gesehen: Eine Walkerinnen-Kolonne, die aus fünf Frauen mittleren Alters bestand, bewegte sich im Sturmschritt direkt auf ihn zu. Die Arme angewinkelt und rhythmisch die Fäuste in Richtung der Baumkronen rammend, marschierten sie mit hochroten Köpfen wie ferngesteuerte Roboter im Gleichtakt.
    Reflexartig machte er einen Schritt zur Seite und ließ die laut schnaubende Meute passieren. Bis auf die recht sportlich wirkende Anführerin waren die mit verkrampften und speckig glänzenden Gesichtern daherschreitenden Damen recht beleibt, was sie allerdings nicht daran gehindert hatte, sich ein topmodisches Outfit zu verleihen. Ein Styling, das jede Profiläuferin vor Neid hätte erblassen lassen: Hautenger, atmungsaktiver Sportdress, extrem leichte und supergedämpfte Spezialschuhe, buntes Stirnband, Designer-Sonnenbrille usw.
    Dass dieses körperbetonte Outfit hinsichtlich ästhetischer Gesichtspunkte augenscheinlich mit der nicht unwesentlichen Leibesfülle der Damen kollidierte, schien die übergewichtigen Frauen nicht zu interessieren. Für Tannenberg jedoch war der Anblick der wie Würste abgeschnürten Oberarme und der an Hüften und Oberschenkeln aus der engen Sportbekleidung hervorquellenden Speckwülste eine nur äußerst schwer ertragbare optische Folterung.
    Aber als noch widerlicher empfand er den intensiven Gestank, der die Walkerinnen-Armada wie eine mitgeführte Dunstglocke umgab. Es handelte sich bei diesen menschlichen Ausdünstungen um eine atmungslähmende Mischung aus

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