Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Rezeption fragen. Der weiß das bestimmt!, dachte er, getraute sich dann aber doch nicht, auf diesem Wege den von ihm als peinlich empfundenen Zustand der Unwissenheit zu beenden.
Der Campingplatzbedienstete saß mit dem Rücken zur verglasten Empfangstheke vor einem Computermonitor. Tannenberg klopfte mit den Fingerknöcheln seiner geöffneten linken Hand an die Scheibe. Dabei fiel sein Blick auf die Armbanduhr, die er wie gewöhnlich mit dem Ziffernblatt nach innen trug.
Verflucht! Es ist ja schon nach 14 Uhr! Der Holländer kommt ja bald! Und ich muss auch noch zurück zur Klinik und Marieke abholen!, stellte er erschrocken fest.
Ein recht verlebt aussehender jüngerer Mann erhob sich von seinem Bürostuhl und begab sich mit trägen Bewegungen zu Tannenberg. Der unter enormem Zeitdruck stehende Kriminalbeamte zückte kurz seinen Dienstausweis und fragte mit hektisch vorgetragenen Worten, ob auf dem Campingplatz in den letzten Monaten zwei Holländer gewohnt hätten, die möglicherweise von jemandem vermisst worden seien.
In den phlegmatischen, hageren Mann kam auf einmal Leben. Neugierig wollte er wissen, ob es sich dabei um die beiden unbekannten Toten vom Heiligenberg handelte. Als Tannenberg dies bejahte, schüttelte er den Kopf und verneinte die ihm gestellte Frage, sagte dem Kriminalbeamten aber zu, dass er zur Sicherheit nochmals die betreffenden Unterlagen sichten werde.
„Wäre ja auch zu schön gewesen“, nuschelte Tannenberg vor sich hin und machte sich eilig auf den Rückweg.
Etwa eine halbe Stunde später traf er wieder in Trippstadt ein. Als er durch die Einfahrt zum Parkplatz ging, bemerkte er auf der rechten Seite eine geöffnete Garage, in der ein Notarztwagen stand. Zwei wie Sanitäter gekleidete Männer verrichteten in und an dem Mercedes-Transporter sorgfältig irgendwelche Reinigungs- oder Wartungsarbeiten.
„Wo warst du denn so lange, Onkel Wolf? Ich hab richtig Angst gekriegt“, empfing ihn Marieke vorwurfsvoll.
„Ich war unten im Tal auf dem Campingplatz. Wegen ’ner Recherche in unserem aktuellen Fall“, erklärte er. „Aber ich hab dir doch einen Zettel geschrieben und ihn am Auto unter den Scheibenwischer geklemmt. Hast du den etwa nicht gesehen?“
Kurz nachdem Tannenberg dies gesagt hatte, begab er sich zu seinem feuerroten BMW-Cabrio und suchte den Papierfetzen zuerst an der Windschutzscheibe, und als er dort nicht fündig wurde, auch noch im Umkreis der Kühlerhaube.
„Welchen Zettel? Ich hab keinen Zettel gesehen.“
„Er ist auch nicht mehr da, Marieke … Seltsam.“
Beide nahmen im Auto Platz. Tannenberg startete den Motor. Der BMW fuhr mit gemächlichem Tempo in Richtung der Straße und kam an der Bordsteinkante zum Stillstand. Er blickte nach beiden Seiten, sah nur abgestellte Autos, keinen fließenden Verkehr.
Gerade in dem Augenblick, als er losfahren wollte, setzte sich einer der scheinbar parkenden Wagen mit quietschenden Reifen und ohne den Blinker zu setzen los und preschte hupend an dem schockgefrosteten Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission und dessen Nichte vorbei.
Tannenberg benötigte mehr als die normalerweise üblichen Schrecksekunden, bis er sich wieder erholt hatte.
„Solche Drecksäcke! Marieke hast du das eben gesehen? Das war’n doch drei Männer, oder?“
„Ich glaub ja. Aber das ging ja alles so schnell.“
„Hast du dir wenigstens die Autonummer merken können?“
„Nein, Onkel Wolf. Aber das war auch kein normales Nummernschild.“
„Stimmt! Das war so ein ausländisches Kennzeichen. So eins mit viel mehr Zahlen als bei uns. Aber ich hab keine Ahnung, was das für eins war. Na ja, was soll’s. Zum Glück ist uns ja nichts passiert! – Wie geht’s denn eigentlich deinem Max?“
„Ich weiß nicht.“ Marieke begann zu schniefen. „Er liegt immer noch im Koma. Und der Arzt hat nur gesagt, dass sie im Moment nichts machen können. Nur warten. Und ich soll für ihn beten – beten soll ich …“
Tannenbergs nasse, quietschende Schuhe zogen im Kommissariat alle Blicke auf sich. Jeder seiner anwesenden Mitarbeiter sah sich zu einer spöttischen Bemerkung genötigt.
„Leute, was soll das? Wir sind hier doch nicht im Kindergarten. Habt ihr denn noch nie bei diesem Wetter einen Spaziergang gemacht?“
„Doch schon, Wolf. Aber ich hab danach meine Schuhe und Strümpfe gewechselt“, entgegnete Michael Schauß lachend.
„Ja, Gott, dafür hab ich eben heute leider keine Zeit. Ich hab ja noch nicht mal Marieke
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