Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall
Universitätsklinikum. Wir Intensivmediziner sind ja eigentlich nur die Zulieferer“, gab Professor Le Fuet etwas verschnupft zurück.
„Nicht so bescheiden, Herr Kollege! Ohne Ihre Zunft könnten wir unsere grandiosen Erfolge ja gar nicht feiern. Nun gut, Frau … Wie war doch gleich Ihr Name?“
„Zimmer. Gabi Zimmer.“
„Also, Frau Zimmer, dann versuchen wir mal nahezu Unmögliches und erklären den Nicht-Medizinern in diesem Raum medizinische Zusammenhänge. Zunächst muss ich aber einige Anmerkungen zu dem machen, was Sie, Herr Kardinal, vor kurzem in einem Artikel in der FAZ kundgetan haben, nämlich die Weigerung, den Hirntod als Tod des Menschen anzuerkennen.“
Dr. Engels deutete auf Max und schüttelte dabei den Kopf. „Wollen Sie etwa hier an diesem Ort des Leidens und der andächtigen Stille, an dem viele Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben Gott sehr nahe kommen, eine Diskussion mit mir anzetteln?“
„Genau hier, Herr Kardinal, genau hier! Es gibt keinen besseren Ort dafür“, antwortete der Transplantationsmediziner mit sich erhebender Stimme und stellte sich direkt neben Maximilians Krankenliege.
„Da bin ich nicht Ihrer Meinung. Der Patient braucht seine Ruhe, um sich zu erholen. Da sollten wir uns doch wohl ein wenig rücksichtsvoller verhalten.“
„Seien Sie ganz unbesorgt, Herr Kardinal“, entgegnete der Leiter der Schlossklinik, „der Patient befindet sich im völligen Tiefschlaf. Den könnten Sie jetzt in einen Düsenjäger setzen. Der würde überhaupt nichts mitbekommen.“
„Dr. Engels“, fuhr Professor Gelbert fort, „ich will ja nichts anderes, als dieses Thema einmal nüchtern aus naturwissenschaftlicher Sicht beleuchten. Völlig abgehoben von der Krankenhausrealität haben Sie schließlich in Ihrem Zeitungsartikel behauptet, dass eine Organspende nur möglich sei, wenn der Patient vorher getötet werde.“
„Genauso verhält es sich doch auch!“, gab der Angesprochene mit Schärfe zurück.
„Damit richten Sie aber doch enormes Unheil an, denn Sie erzählen den Leuten, dass ein Mensch nach seinem Hirntod aus christlicher Perspektive noch ein Lebender sei, der erst durch die Organentnahme getötet werde.“
„Ich kann mich inhaltlich nur wiederholen: Genauso ist es! Und deshalb hat die katholische Kirche die Pflicht, darauf aufmerksam zu machen.“
„Aber durch diese haltlose Kritik gefährden Sie doch in höchst fahrlässiger und verantwortungsloser Weise die gesamte Transplantationsmedizin!“
Dr. Engels hatte sich wieder etwas beruhigt und antwortete mit sonorer Stimme: „Warum verkürzen Sie den Standpunkt der Kirche eigentlich so ungemein?“
„Verkürzen? – Herr Kardinal, ich denke, Sie sollten einmal einige medizinische Fakten zur Kenntnis nehmen, die hoffentlich verhüten mögen, dass Sie in Zukunft weiter solchen Unfug von sich geben.“
„Und ich denke, Ihnen stünde etwas mehr Bescheidenheit und Toleranz nicht schlecht zu Gesicht“, gab der hohe kirchliche Würdenträger kritisch zu bedenken.
„Toleranz? Wo ist denn Ihre Toleranz?“
„Aber meine Herren, Beschimpfungen bringen uns bei diesem Thema doch nicht weiter!“, bemerkte der Landtagsabgeordnete Dr. Bündner.
„Ja, Sie haben Recht! Lassen Sie mich deshalb nun in der gebotenen Kürze, aber auch in der erforderlichen Deutlichkeit, die medizinischen Fakten ausführen.“
„Wir bitten darum. Aber bitte allgemein verständlich!“, warf Gabi Zimmer fordernd ein. „Darf ich mein Diktiergerät mitlaufen lassen?“
Allseitiges, stummes Kopfnicken beantwortete die Frage.
„Also“, begann Professor Gelbert: „Brechen bei einem nicht beatmeten Menschen die Kreislauffunktionen zusammen, kommt es im Gehirn zunächst zu einem reversiblen, also rückgängig zu machenden, nach einigen Minuten aber irreversiblen, also nicht mehr rückgängig zu machenden, Funktionsausfall der auf einen Sauerstoffmangel hochsensibel reagierenden Gehirnzellen und ihrer Verbindungsstellen. War das verständlich genug?“
„Ja, Herr Professor“, antwortete die Zeitungsreporterin gedehnt..
„Gut. Dann weiter: Die darüber hinaus mit dem bloßen Auge erkennbaren Zerfallsprozesse des menschlichen Körpers beginnen spätestens nach einigen Tagen.“
Der Transplantationsmediziner, der nach wie vor direkt neben Maximilians Bett stand, benutzte den Komapatienten für seine nun folgenden Ausführungen als konkretes Demonstrationsobjekt.
„Nehmen wir einmal den jungen Herrn hier: Nachdem sein Kreislauf
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