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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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schlecht!“
    „Aber Herr Professor, Sie können anstellen, was Sie wollen, Sie können sich über unseren Standpunkt lustig machen, so viel Sie wollen. Sie können aber nicht vor der Wahrheit flüchten.“
    „Ach, der Wahrheit. Sie sind also im Besitz der Wahrheit?“
    „Was soll diese alberne Polemik, Professor Gelbert? Der Mensch ist und bleibt eine leib-seelische Einheit. Und der Tod eines Menschen ist der endgültige Zusammenbruch dieser Einheit.“
    „Wollen Sie wirklich ernsthaft behaupten, dass ein künstlich am völligen Absterben gehindertes Restleben eines Hirntoten noch echtes menschliches Leben sei?“, entgegnete Professor Gelbert verständnislos.
    Kardinal Dr. Engels stellte die akademische Diskussion vom Kopf auf die Füße: „Lassen Sie uns doch mal konkret werden: Herr Professor Le Fuet, handelt es sich bei diesem armen Menschen hier um einen so genannten Hirntoten?“
    „Nein, zur Zeit hat er noch minimale zerebrale Aktivitäten“, antwortete der Klinikchef.
    „Aber er stirbt doch bald, oder?“, setzte der geistliche Würdenträger nach.
    „Ja, sein Gehirn wurde durch einen schweren Motorradunfall irreversibel geschädigt; er liegt im tiefen Koma, und wir werden ihn bald für hirntot erklären müssen.“
    „Dann erläutern Sie uns doch bitte einmal, wie Sie bei solch einem bedauernswerten Geschöpf Gottes wie diesem hier, meinen, definitiv dessen Tod feststellen zu können.“
    „Das tue ich sehr gerne«, entgegnete der Leiter der Schlossklinik freundlich: „Also: Nachdem zwei Intensivmediziner die EEG- und die CT-Befunde diagnostisch eindeutig abgeklärt haben, wird der Neurologe verständigt, der dann zwischen Beatmungstubus und Magensonde einen Holzspachtel tief in den Rachen schiebt. Damit wird der Hustenreflex getestet. Wenn, wie gewöhnlich, nichts passiert, also keine auch noch so geringe Reaktion des Patienten erfolgt, wird der Atemstillstandstest durchgeführt. Dazu wird der Kohlendioxidgehalt des Blutes auf mindestens 60 mmHG gebracht, ein Wert, der das Atemzentrum im Gehirn maximal reizt. Danach wird die Tiefe der Bewusstlosigkeit des Patienten geprüft, und zwar indem man versucht, eine Schmerzreaktion hervorzurufen.“
    „Eine Schmerzreaktion?“, warf Gabi Zimmer ein, nachdem sie sich eine Zeit lang diskret zurückgehalten hatte.
    „Ja, das gehört zu diesem Test dazu. Man erzeugt eine solche Schmerzreaktion zum Beispiel dadurch, dass man den Griff eines metallenen Reflexhammers rechts und links auf die Nagelbetten drückt, oder indem man so stark wie möglich an beiden Seiten in die Haut unter den Achseln und unterhalb der Ohren kneift. Zusätzlich sticht man mit einer Kanüle rechts und links in die Nasenscheidewand, was einen sehr starken Schmerzreiz im Bereich des Trigeminusnervs darstellt. Bei einem Hirntoten sickert dann Blut aus der Nase, aber Pulsschlag und Blutdruck, deren Werte in digitalen Ziffern auf den Monitoren erscheinen, bleiben unverändert.“
    „Das ist aber eklig“, bemerkte die Journalistin und zog dabei angewidert die Oberlippe in Richtung ihrer Nase.
    Professor Le Fuet zeigte sich von diesem Einwurf unbeeindruckt: „Das ist alles genau vorgeschrieben. Nach diesen Tests zieht man die Lider des Patienten auf und leuchtet in die Pupillen, die nicht mehr auf das Licht reagieren. Anschließend nimmt man den Kopf und kippt ihn nach vorne. Normalerweise steuern die Augen bei diesem so genannten ›Puppenkopfphänomen‹ der Schädelbewegung entgegen.“
    „Puppenkopfphänomen?“, fragte der Landtagsabgeordnete nach.
    „Ja, so heißt das eben. – Aber es werden noch weitere Tests durchgeführt: Als nächstes wird dem Hirntoten mit einem Papiertuch in die Augen getupft, die dann bei einem gesunden Menschen sofort blinzeln würden. Und schließlich wird die künstliche Beatmung abgehängt und gleichzeitig mit einem dünnen Schlauch reiner Sauerstoff in die Bronchien geblasen. Dann wird der Hirntote erneut an das Beatmungsgerät angeschlossen und die gleichen Tests nach zwölf Stunden nochmals wiederholt. Sie sehen: Wir geben uns sehr große Mühe mit der Diagnose des Hirntodes. Aber eins ist klar: Ein Hirntoter ist weder blass noch kalt, noch steif – und trotzdem ein Leichnam.“
    „Genau das ist es ja“, sagte der Kardinal. „Der junge Mann hier zum Beispiel sieht doch überhaupt nicht tot aus. Diese rosige Haut …, der Körper warm … Und dieser Mann soll tot sein?“
    „Da können sie sicher sein: Niemand ist toter als ein

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