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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Seite akzeptieren, wie viel unsägliches Elend, Mord und Totschlag derselbe Gott auf unserem Planeten zulässt.“
    Theodizee!, dachte Tannenberg. Ein zartes Lächeln huschte über seine Lippen.
    Der Rechtsmediziner verabschiedete sich an Leas Todestag nach etwa einer Stunde. Nur seine Mutter blieb bei ihm. Sie versorgte ihn mit Tee und frischen Tüchern, mit denen er den hellen, blasigen Schaum, der ohne Unterlass aus ihrem weit gespreizten Rachen quoll, von Leas Mund abwischte.
    Tannenberg hatte so etwas noch nie gesehen. Nachdem er dieses Phänomen als natürliche Begleiterscheinung eines menschlichen Sterbeprozesses akzeptiert hatte, erinnerte ihn diese weiße Masse plötzlich an Badeschaum, und er musste unwillkürlich daran denken, wie oft er mit seiner Frau gemeinsam in der Badewanne gesessen, Musik gehört und in ausgelassener Stimmung Sekt getrunken hatte.
    Gegen Mittag hatte dann plötzlich die Atmung ausgesetzt. Sofort tastete er nach ihrem Puls. Er fühlte nur noch zwei Schläge. Dann hörte ihr Herz für immer auf zu schlagen.
    „Hast du eben an Tante Lea gedacht?“, fragte Marieke schniefend mit leiser Stimme.
    „Ja.“
    Tannenberg nickte mit dem Kopf. Dann drückte er seine Nichte fest an sich.
    „Entschuldigung. Habt Mitleid mit den Gebrechen eines alten Mannes“, sagte plötzlich Martin Huber, als er Maximilians Krankenzimmer betrat und der beiden an dessen Bett stehenden Besuchern gewahr wurde. „Ich war so in Gedanken versunken.“
    „Wir wollten sowieso gerade gehen“, antwortete der Kriminalbeamte mit belegter Stimme.
    „Der Herr sei mit euch und tröste euch in eurem Kummer. Aber ihr könnt gewiss sein, dass der Herr, unser aller gütiger Vater und Erlöser, sich der armen Seele dieses Erdenkindes annehmen wird. Gehet nun hin in Frieden und seid der göttlichen Gnade eingedenk, die der Herr euch schenken wird. Der Herr sei dieser armen Seele gnädig. Amen.“
    „Warum hat Gott das zugelassen, wenn er doch so gütig ist?“, schrie Marieke dem alten Pfarrer zornig ins Gesicht.
    Er blieb ganz ruhig. Man merkte ihm an, dass er solche Situationen in der Vergangenheit schon oft erlebt hatte.
    „Mein Kind“, antwortete er mit tiefer Stimme, „bedenke: Die Wege des Herrn, unseres Erlösers, sind unergründlich. Oft handelt er so, dass wir meinen, es nicht verstehen zu können. Aber sei gewiss: Der Herr tut nichts ohne Grund! Deshalb, meine Tochter, lass ab von Zweifel und Schwermut. Auch diesem Sohn Gottes harrt die Gnade des Herrn!“
    „Wenn Gott es wollte, würde er wohl dafür sorgen, dass Max uns jetzt hören könnte“, setzte Tannenberg noch eins drauf. „Und wenn er es wirklich wollte und er wirklich die Macht dazu hätte, könnte er doch auch dafür sorgen, dass er jetzt wach wird und aufsteht.“
    „Er hat diese Macht, mein Sohn, dessen kannst du gewiss sein!“
    „Und warum hilft er ihm dann nicht?“, schrie Marieke wütend dazwischen.
    „Aber meine Tochter, wer weiß denn wirklich mit Sicherheit, was Gott vorhat. Vielleicht hat er ihm ja schon geholfen. Wer weiß denn, was in diesem Mann hier jetzt vorgeht? Vielleicht hört er uns ja. Und vielleicht hat er in diesen letzten Stunden seines Lebens einen direkten Weg zu Gott, unserem Herrn, und Jesus Christus, seinem eingeborenen Sohn, gefunden, der uns Außenstehenden für immer verschlossen bleiben wird. Vielleicht betet er ja sogar gerade. Der Allmächtige besitzt nämlich besonders für Menschen, die in ihren letzten Zügen liegen, eine große Anziehungskraft.“
    „Vielleicht haben Sie ja Recht“, murmelte Tannenberg mit hängendem Kopf und verließ gemeinsam mit seiner Nichte den trauergetränkten Ort.
     
    Maximilian spürte immer noch die nassen Tropfen, die Mariekes salzige Tränen auf seinem Arm hinterlassen und die tiefe, schmerzende Löcher in seine Seele gebrannt hatten. Er wusste auch noch ganz genau, an welchen Stellen seines stillgelegten Körpers sie ihn liebevoll gestreichelt hatte.
    Auch der weiche Kuss, den sie ihm zum Abschied auf seinen warmen, aber regungslosen Mund gedrückt hatte, war noch da – ein Traum von Liebe und Zärtlichkeit. Er hätte sie so gerne zum Schmusen zu sich ins Bett gezogen. Aber er konnte sich ja nicht bewegen, nicht einmal mit der Wimper zucken.
    Unweigerlich musste er an einen Zeitungsbericht denken, den er erst vor kurzem gelesen hatte. Der reißerische Artikel hatte von einem Franzosen gehandelt, der nach einem Hirnschlag zunächst 20 Tage im Koma gelegen war und dann

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