Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
Vom Netzwerk:
und trat zur Seite. Mit zittrigen Händen führte Rudenz das provisorische Werkzeug unter die Fensterdichtung ein und schaffte es nach ein paar erfolglosen Versuchen tatsächlich, das Plastikzäpfchen nach oben zu ziehen. Er öffnete die Fahrertür und drehte sich erleichtert zu den Polizisten um.
    „Kompliment“, sagte Schäfer. „Wie auch immer: Sie schlafen heute bei uns, Herr Rudenz.“
    Als sie im Wagen saßen und zusahen, wie Rudenz in Handschellen den Kleinbus bestieg, wandte sich Bergmann an Schäfer: „Halten Sie ihn wirklich für schuldig?“
    „Nein … wobei: So sicher wie zuletzt bin ich mir auch nicht mehr … aber jetzt nehmen wir ihn erst mal in U-Haft und ersparen uns, dass uns die Laskas noch mehr auf die Nerven gehen …“
    „Sehr pragmatisch …“
    „Machen Sie jetzt bloß nicht auf Gerechtigkeit, Bergmann“, erwiderte Schäfer, „manchmal darf man auch in der Ebene gehen, um sein Ziel zu erreichen … egal: Gehen wir auf ein Glas Wein?“
    „Ich weiß nicht, ob …“
    „Herr Rudenz hat ein Stammlokal in der Josefstadt, wo er sich des Öfteren und ausgiebig mit dem Barmann unterhält. Dem sollten wir nachgehen …“
    „Woher haben Sie denn diese Information?“
    „Ergebnis der Hausdurchsuchung“, erwiderte Schäfer grinsend, „los, starten!“
    Sie fuhren zu einer kleinen Bar im achten Bezirk, die trotz ihres heruntergekommenen Äußeren ausgezeichnete Weine und kleine Imbisse servierte. Schäfer war gut gelaunt und bestellte eine Flasche sündteuren neunundneunziger Pinot noir.
    „Ich sage Ihnen“, flüsterte Schäfer nach dem ersten Glas, „irgendwas ist an dieser Geschichte dran, das stört mich gewaltig …“
    „An welcher Geschichte?“
    „Ziermann, Rudenz …“
    „Das sind aber zwei verschiedene Geschichten“, erwiderte Bergmann verwirrt, der bereits nach einem Glas den Alkohol spürte.
    „Vielleicht, vielleicht … aber zwei junge Frauen, die in einem so kurzen Abstand mysteriös ertrinken …“
    „Gibt es da irgendwelche Zusammenhänge, die Sie mir verschweigen?“
    „Nicht wirklich …“
    „Was soll das denn heißen?“
    „Seit ich heute bei Frau Sylvia war … seitdem habe ich so ein Gefühl …“
    „Was für eins …?“
    „Schnüff, schnüff, dass was faul ist … keine Ahnung, wo … aber irgendwo fault da was. Jetzt trinken Sie mal einen Schluck, Bergmann.“
    „Ehrlich gesagt“, Bergmann hob sein Glas, „ich habe das Gefühl, dass Sie im Begriff sind, Unruhe zu stiften.“
    „Im Gegenteil: Ordnung und Erkenntnis werde ich stiften … außerdem sind Ruhe und Zufriedenheit der Bösewichte Komplizen“, dozierte Schäfer pathetisch.
    „Warum wollen Sie denn unbedingt, dass da mehr dahinter steckt?“, fragte Bergmann. „Bei der Menge an Arbeit, die wir haben, wäre es …“
    „Haben die Sie übers Wochenende einer Gehirnwäsche unterzogen?“, unterbrach ihn Schäfer entrüstet. „Da können wir gleich die Kollegen von der Streife unsere Arbeit machen lassen … merken Sie denn nicht, worauf das alles hinausläuft? Wir haben immer weniger Zeit, immer weniger Beamte und immer weniger Geld … und damit zwingen sie uns zum Vordergründigen und Banalen … Bergmann, lassen Sie sich doch nicht oktro… Sie wissen schon … bleiben Sie auf der richtigen Seite …“
    „Keine Sorge“, meinte Bergmann, „so naiv bin ich nicht. Aber ich will mir auch nicht aus sturer Opposition heraus die Arbeit schwerer machen, indem ich überall Zusammenhänge herstelle und zwanghaft nach Indizien suche … die meisten Fälle sind eben banal … das wissen Sie besser als ich …“
    „Lassen Sie sich nur nicht täuschen, Bergmann … darauf läuft doch diese beschissene Reform hinaus: alles zu banalisieren und zu nivellieren … und das sickert langsam in unsere Gehirne … und weil wir selbst immer banaler werden, sehen wir die Zusammenhänge nicht mehr …“
    „Wenn Sie einen sehen, schau ich ihn mir gern an“, erwiderte Bergmann mit einem Seufzer und nahm einen großen Schluck. „Aber mich lassen Sie bitte wenigstens zwischendurch banal bleiben … wer soll denn sonst die Berichte schreiben …“
    „Jetzt schauen Sie nicht so genervt“, meinte Schäfer und schenkte Wein nach, „ich entreiße Sie den Klauen des Bösen! Prost, Kollege Bergmann!“

11
    „Ich brauche eine Frau.“ Schäfer ließ sich in seinen Bürosessel fallen, ohne seinen Mantel ausgezogen zu haben.
    „Das sagen hier ohnehin fast alle“, erwiderte Bergmann, ohne von seiner

Weitere Kostenlose Bücher